Gerade beim Bäcker: Vor mir ein starker, behaarter Kerl im Lederoutfit mit großem Nasenring, hinter mir zwei Jungs, ganz in Gummi einer davon an einer Hundeleine kniend neben seinem offensichtlichen Herrchen. Es ist Folsom in Berlin. Und somit eines der ganz normalen Fetisch-Wochenenden die Jungs aus aller Welt nach Berlin locken.Und während ich noch im allmorgendlichen Halbschlaf darüber nachzudenken beginne, ob nun Doggys die sprechen können in eine Bäckerei dürfen oder doch besser standesgemäß vor der Bäckerei angeleint werden müssen, bedient Fatima – so heisst die Inhberin der Bäckerei in unserem Nebenhaus – den Nasenringträger mit dem strengen Blick.
„Drei Croissants und zwei Milchkaffee mit extra viel Schaum bitte, junge Frau.“ Fatima muss lachen, obgleich man hierbei anmerken muss dass sie Anfang 50 ist. Und auch auch ich fange an zu lachen. Harte Schale, weicher Kern – denke ich und wünsche mir einmal mehr, diesen Moment des interkultursexuellen Moments mit der ganzen Welt zu teilen. „Det is Berlin, wa“ sagt das Herrchen ungefragt hintermir, obwohl ja wahrscheinlich so ein Herrchen grundsätzlich nicht erst gefragt werden muss.
„Das ist die Fetisch-Community“ antworte ich grinsend, realisierend das ich selbst gerade in einer wahrscheinlich für jeden ausserhalb dieses besonderen Stadtteils lebenden als viel zu kurz empfundenen Adidas-Glanzshorthose dastehe und somit Teil dieser Bäckerei-Fetisch-Gemeinde bin.
Wenige Meter ist unsere Wohnung weg vom Axel Hotel, jenem Haus das auf seinen Türen mit „Heterofriendly“ wirbt und das genau gegenüber Fatimas Bäckerei liegt. Was für ein Glück hier zu leben – inmitten des schwulen Kiezes, inmitten lauter Freigeistern, Künstlern und Individualisten.
Wie selbstverständlich ist daher dieser gerade in der Bäckerei erlebte Moment, der sich mehrfach im Jahr wiederholt. Ostertreffen, CSD, schwullesbisches Straßenfest, Folsom, Hustla Ball – es gibt viele Gründen im Jahr für einen Besuch in Berlin, für ein Ausleben von Fetischen und für ein Treffen der Communnity. Ob Leder, Gummi, Sportswear: Die Fetisch-Community ist eine Besondere, mit starken Freundschaften und einer Unverklemmtheit, die man jeder Couch-Potato nur wünschen kann. Und nur um das anzumerken: Ich habe nichts gegen Couch-Potatos, ich bin ja tolerant.
Jedoch meinte Dieter Kosslik, Intendant der Internationalen Berliner Filmfestspiele ja mal: „Couch-Potatos werden die Welt nicht retten.“ Und er hat recht: Dieser bunte Haufen hier, der in diesen Tagen Folsom feiert, sich zum Fetischdinner trifft, Freunde besucht und abends auf Mega-Sexpartys mit hunderten, wahrscheinlich sogar über tausend anderen Fetischkerlen im wahrsten Sinn des Wortes die Sau rauslässt kann die Welt retten, oder zumindest verändern.
In Zeiten in denen uns Parteien wie die AfD weiß machen will,das selbst die brävsten, bürgerlichen, verlebenspartnerten Schwulen und Lesben nicht mehr in ihr Weltbild passen, ist es umso wichtiger, dass wir als sichtbarer Teil der Szene selbstverständlich unseren Platz einfordern.
Das mag nicht in jedermenschs Weltbild passen: Ein Lederkerl, ein Doggy und ein Typ in knapper Glanzshort mit ausgelatschten Sneakers, die bei Fatima Brötchen holen. Aber hey, wem es gelingt sich im persönlichen Kontakt mit einem dieser wunderbaren Menschen zu unterhalten, wer begreift wie Fetischkerle ticken, wie stark unsere Community ist und welch ein Zusammenhalt dort an Tagen wie diesen herrscht, der ist der breiten Masse einen Schritt voraus.
Ich jedenfalls freue mich, Teil dieser Community zu sein, an diesem Wochenende Freunde zu treffen und voller Selbstverständlichkeit beim Verlassen der Bäckerei dem Doggy übern Kopf zu streicheln um seinem Herrchen mitzuteilen: „Das ist ja ein ganz ein Braver.“
Wie wichtig der Zusammenhalt in der Community ist, hat mir auch Thomas Rappel – ehemaliger Bavarian Mr. Leather – in einem kurzen Interview in München erklärt.
Seht selbst: