Rechtskräftig: Mit HIV tauglich für die Polizei


„Heute ist ein sehr guter Tag!“ sagt Jacob Hoesl. Der Kölner Rechtsanwalt gilt als einer der besten Juristen und Verteidiger wenn es um das Thema HIV & Aids geht. In vielen Fällen hat er bereits HIV-positive Menschen verteidigt und ihnen zu ihrem Recht verholfen.

Erst kürzlich sorgte der Fall eines wegen HIV abgelehnten Polizeianwärters in Niedersachsen für großes mediales Aufsehen.

Der Mann hatte sich Ende Oktober 2016 als Polizeikommissar-Anwärter beworben. Die Polizeiakademie Niedersachsen hatte seine Einstellung abgelehnt, weil er für den Polizeidienst untauglich sei.

Der Kläger wird seit mehreren Jahren erfolgreich mit HIV-Medikamenten behandelt. Das schützt seine Gesundheit. Außerdem kann in seinem Blut kein HIV mehr nachgewiesen werden.

Zurecht setzte sicher der Anwärter gegen den Ablehnungsbescheid zur Wehr und klagte. Sein Anwalt, Jacob Hoesl, erklärt heute wie der Fall ausgegangen ist:

Heute habe ich erfahren, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 23.7.2019 (13 A 2059/17), mit dem dieses entschieden hat, dass ein Anwärter zum Polizeidienst allein wegen seiner HIV-Infektion nicht abgelehnt werden darf, rechtskräftig geworden ist. Kurz: wir haben in Deutschland die 1. gerichtliche Entscheidung, dass Menschen mit HIV sowohl unter dem Gesichtspunkt des Risikos für Dritte als auch bezüglich des Erreichens der Dienstaltersgrenze polizeidiensttauglich sind. Die Polizeiakademie Niedersachsen hat trotz vollmundiger Ankündigungen keine Berufung gegen das Urteil eingelegt. Dies ist ein Meilenstein!

Natürlich ist das Urteil eines regionalen Verwaltungsgerichts nicht gleichzusetzen mit dem eines Oberverwaltungsgerichts oder gar des Bundesverwaltungsgerichts. Andererseits können andere Verwaltungsgerichte nicht kunterbunt entscheiden wie sie wollen. Auch wird es rechtlich schwierig für Dienstherren der Polizei in anderen Bundesländern oder des Bundes, diese Entscheidung zu ignorieren. Dies liegt vor allem daran, dass die Polizeiakademie Niedersachsen den HIV-positiven Anwärter allein wegen seiner HIV-Infektion zur Aufnahme in die Ausbildung zum Polizeidienst abgelehnt hat ohne sich konkret mit seiner Person und seines sonstigen Gesundheitszustands zu befassen. Sofern also keine anderen (medizinischen) Gründe vorliegen, die die Polizeidiensttauglichkeit beeinträchtigen könnten, können Menschen mit HIV sich bundesweit zum Polizeidienst bewerben. Eine Abweichung von dieser Entscheidung wird für andere Verwaltungsgerichte schwerlich zu begründen sein.

Neben diesem Gesichtspunkt für das Bewerbungsverfahren wird das Urteil vor allen Dingen für bereits verbeamtete Polizisten mit HIV, die bisher wegen HIV Benachteiligungen bezüglich ihrer Laufbahn bzw. ihres konkreten dienstlichen Einsatzes hinnehmen mussten, von Bedeutung sein. Einschränkungen wegen HIV werden von den polizeilichen Dienstherren kaum noch zu rechtfertigen sein. Dies wird wohl der noch größere Anwendungsbereich dieser Entscheidung sein. Natürlich wird dies nicht Benachteiligungen im Einzelfall beseitigen, aber das Urteil hilft, sich dagegen zu wehren. Ich darf mich vielleicht vorsichtig aus dem Fenster lehnen und sagen, dass wir auch bald dieses letzte dicke Brett der institutionellen Diskriminierung von Menschen mit HIV bald durch haben.

Wir haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viel erreicht. Wir haben erreicht, dass Menschen mit HIV von wenigen Ausnahmen abgesehen uneingeschränkt im Gesundheitsbereich und vergleichbaren Berufsfeldern arbeiten können. Wir haben erreicht, dass Menschen mit HIV uneingeschränkt in ein Beamtenverhältnis übernommen werden. Wir haben erreicht, dass Menschen mit HIV uneingeschränkt im Bereich der Bundeswehr als Soldaten oder Offiziere tätig sein können. Wir haben erreicht, dass HIV unter das Merkmal der „Behinderung“ des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) fallen und geschützt werden. Wir haben (so gut wie) erreicht, dass Menschen mit HIV, deren Viruslast therapiebedingt stabil unter der Nachweisgrenze liegt, keine strafrechtlichen Verurteilungen mehr fürchten müssen. Und bald haben wir erreicht, dass Menschen mit HIV auch uneingeschränkt in den Polizeidienst gehen können.

Auch wenn dies alles alltägliche Diskriminierung von Menschen mit HIV nicht wegzaubert, haben wir nunmehr auf allen institutionellen Ebenen Instrumente, um sich hiergegen zu wehren.

Noch einmal mein tiefer Dank an meinen jungen Mandanten, der die Kraft, den Mut und die Ausdauer aufgebracht hat, diesen Weg (mit mir) zu gehen.

Ich muss gestehen, ich bin etwas ergriffen bei dem Gedanken, dass wir die grundlegenden Probleme institutioneller Diskriminierung von Menschen mit HIV nunmehr (bald) gelöst haben. Bald ist unsere – und damit auch meine – Arbeit in diesem Bereich getan. Das ist irgendwie ein gutes Gefühl, wenn ich ehrlich bin.

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