PrEP: Nina Queer macht sich ihr eigenes BILD

Screenshot: Quelle BILD

Seit einigen Stunden online und erneut erfolgreich – zumindest die Viralität der Bild-Kolumnen von Nina Queer sprechen für sich. Inhaltlich schafft die vom Verlag zur „Promi-Dragqueen“ gekührte Meinungmacherin leider nur das zu erwartende Niveau des 4-Buchstaben-Journalismus.

In ihrer neusten Kolumne mit der provakanten Überschrift „Freie Fahrt für wilde Nutten: “ So gefährlich ist PrEP!“ wendet sich die Möchtegern-Botschafterin mit halbwahren und schlecht recherchierten Aussagen an „ihre Familie“ – ihr rät sie: „auf euch und eure Lieben besonders gut aufzupassen.“ Denn, so will die Fachdrag wissen:

„Eine PrEP-Pille ist nichts anderes als eine Art „kleine Chemotherapie“….Jeder, der diese Therapie anwendet , muss sich bewusst darüber sein, dass er seinem Körper und natürlich auch seiner Psyche schadet.“

Um der geneigten Bild-Leserschaft dann noch die benötigte Dosis aus Angst und Dramatisierung beizufügen, erklärt sie:

„Nach den USA gibt es nun auch in Europa erste Fälle, bei denen es trotz Einnahme von PrEP zu einer HIV-Infektion kam.“

Themen wie Adhärenz (kurz gesagt das Einhalten des Einnahmeschemas bei verschreibenen Medikamenten) lässt sie natürlich ebenso weg, wie Quellenangaben.

Dafür schafft sie die geschriebene Drohkulisse noch zu erhöhen mit dem Satz:

„Dazu kommt, dass durch ungeschützten Sex die Syphilis, Tripper, Herpes, und Pilze wieder Oberwasser gewinnen. Gerade in Berlin ist die Syphilis augenblicklich nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen“ erklärt die „Expertin“.

Zur Klarstellung: PrEP-Patient_innen sind hierzulande in ähnlicher medizinischer Versorgung wie HIV-Patient_innen: Die regelmäßigen Checks schließen zumeist auch Untersuchungen auf oben genannte Infektionen mit ein. Die Folge: Diese Personengruppe wird bei einer Infektion wesentlich schneller therapiert als die breite Durchschnittsbevölkerung, die aufgrund zu seltener Testung zumeist überhaupt nichts von ihrer Infektion weiß und daher der Hauptgrund für den aktuellen Anstieg – beispielsweise bei Syphilis – darstellt.

Nicht die PrEP-Gebrauchende, sondern Menschen die nicht regelmäßig zum Test gehen sind also die Herausforderung, wenn man Infektionszahlen eindämmen möchte.

Dies alles lässt Nina Queer natürlich in ihrem Text außen vor. Dafür stellt sie pauschal alle Menschen die sich durch PrEP vor einer Ansteckung durch HIV schützen an den Pranger:

„Kein Medikament der Welt sollte über einen so langen Zeitraum und so intensiv eingenommen werden, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Und schon gar nicht, wenn man sich bester Gesundheit erfreut. Und genau DAS ist ja immer das Argument von PrEP-Verwendern: „Ich nehme es, um gesund zu bleiben“. Ein einziges Oxymoron“, so Nina Queer.

Mit Oxymoron baut die Autorin – in Hoffnung auf die Unterstreichung von Glaubwürdigkeit – noch geschickt einen Fachbegriff ein, bei dem wohl die meisten Leser_innen der Zeitung mit den vier roten Buchstaben erstmal nachschlagen müssen um zu verstehen, dass es sich dabei um den Fachbegriff sich zwei einander widerspechender oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen – wie beispielsweise Hassliebe, Regelausnahme oder BILD-Qualitätsjournalismus – handelt.

Geschweige denn, dass – um nur ein Beispiel zu nennen – auch beim Thema Verhütung durch die sogenannte „Anti-Baby-Pille“ seit Jahrzehnten neben anderen Möglichkeiten eine chemische Option geschaffen wurde, die auf Freiwilligkeit setzt, lässt die Verfasserin völlig außer acht, dass die PrEP für Menschen in der Hochzeit ihrer Sexualiät durchaus ein Mittel sein kann, auf dass dann in ruhigeren Zeiten wieder verzichtet werden kann. Es kann gleichermaßen anlassbezogen wie dauerhaft eingenommen werden – die Wahl daürber hat jede Person selbst.

Und dann warnt Nina noch: „Aber 100 Prozent sicher ist das Wundermittel nicht!“ Nicht nur das auch Kondome keinen 100prozentigen Schutz bieten – bei korrekter Einnahme der PrEP und unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle bietet diese Schutzmaßnahme sehr wohl einen sicheren Schutz vor dem HI-Virus. So sicher, dass die PrEP inzwischen – nach strengsten Prüfungen – auch von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland bezahlt wird.

Artikel und Kommentare wie dieser von Nina Queer schaden der Prävention, verunsichern Menschen und fördern in der Folge eher die Infektionszahlen.

Als ein Mensch der selbst seit rund zwanzig Jahre mit dem HI-Virus lebt, weiß ich wie sehr auch in meinem Umfeld die PrEP zu einer Verbesserung für die Safer Sex Strategie vieler Menschen geworden ist. Neben Kondomen und nebem dem Schutz durch Therpaie ergänzt die PrEP die Möglichkeiten sich wirksam vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen.

Pauschale und schlicht falsche Aussagen wie in Nina Queers Bild-Kolumne schaffen nur Verunsicherung und verhindern die wichtige Arbeit im gemeinsamen Ziel Aids weltweit bis 2030 zu beenden.

Die PrEP leistet dazu einen enormen Anteil.

Screenshot Quelle: BILD

Unter einem der Bilder von Nina in der Kolumne steht:

Nina Queer hat zu PrEP ihre eigene Meinung und wirft den Pharma-Konzernen vor, Ängste zu schüren.“

Wer hier jedoch wirklich Ängste schürt vermag jede Person selbst zu erkennen.

My heart wil go on – für alle Menschen die Präventionsarbeit unterstützen und für die „wilden Nutten“ mit freier Fahrt.

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Ihr Pharmakonzerne weltweit – schaut auf diese Stadt

Wieviel darf eine HIV-Therapie kosten? Wieviel Gewinn machen Pharmakonzerne? Welchen Einfluss haben Regierungen? Und für wie viele Menschenleben sind die Entscheider_innen am Ende verantwortlich? Vorweg: für viele.

Weltweit haben immer noch über 40 Prozent der Menschen mit HIV keinen Zugang zu Medikamenten – zwanzig Jahre nachdem die erfolgreichen Kombitherapien es schafften, vielen Menschen das Sterben an den Folgen von Aids zu ersparen gelingt es unserer Weltgemeinschaft immer noch nicht diese Medikamente allen HIV-Infizierten zur Verfügung zu stellen.

Das ist nicht nur zutiefst traurig, sondern am Ende eine Schande. Doch woran liegt es das in einigen Ländern Therapien unbezahlbar sind und in anderen nicht. Wer regelt die Preise? Und was können wir als Community tun?

Mit diesen Fragen habe ich mich heute mit anderen HIV-Aktivist_innen im Rahmen der Vorkonferenz „Community Activist Summit“ (HIV-Community-Aktivst_innen-Gipfel) beschäftigt. Stellen wir mal ein paar unangenehme Fragen:

Kosten HIV-Medikamente in ihrer Herstellung viel?

Nein. Längst sind die Kosten für die Forschung und Entwicklung refinanziert. HIV-Medikamente sind Massenware. Der Herstellungspreise von einer Jahresration an HIV-Medikaton (Generika) liegt derzeit bei rund 33 US-Dollar – das entspricht rund 28 Euro für die Herstellung einer Jahresration an HIV-Mediaktion.

Wird denn weltweit nicht zum gleichen Preis verkauft?

Nein. Die Pharmaindustrie verhandelt mit den einzelnen Staaten. Beide verdienen an diesem Deal. Die Pharma am Absatz, die Staaten an den Steuern. Werfen wir beispielsweise einen Blick auf Länder mit einem gehobenem mittleren Einkommensniveau dann stellen wir allein da drastische Preisschwankungen fest: In Bulgarien kostet die HIV-Medikation für eine Person jährlich 9656 Dollar. Die gleiche Mediaktion ist in Brasilien für 365 Dollar erhältlich.

Sind die Aufschläge und Gewinne in einem normalen Rahmen?

Nein. Es gibt weltweit viele Fälle von massivem Preisaufschlag. HIV-Medikamente werden mit Aufschlägen verkauft, die 100-fach bis hin zu 1000-fach über den Herstellungskosten liegen.

Wie hoch wäre inkl. aller Gewinne ein faier Jahrespreis für HIV-Medikamente?

Generika sollten nach aktuellem Stand und den tatsächlichen Herstellungskosten inklusive aller Aufschläge, Gewinne und Steuern bei ca. 90 US-Dollar pro Jahr für eine_n HIV-Patient_in liegen. Die Realität sieht anders aus.

Haben Länder wie Südafrika wenigstens günstiger Preise?

Nein. Im Gegenteil. Vergleicht man den Jahres-Preis von bestimmter HIV-Medikation für eine Person zwischen beispielsweise Indien und Südafrika wird die unterschiedliche Preispolitik deutlich:

Indien 998 USD pro Jahr. Südafrika 13983 USD pro Jahr. Fair geht anders.

Könnte die Pharmaindustrie mit niedrigen Preisen überhaupt noch Forschung betreiben?

Von 2002 bis 2016 hat die Pharmaindustrie weltweit über 200 Milliarden am Verkauf von HIV-Medikation verdient. Tendenz steigend. Bei längst bezahlten Forschungen für diese Mediaktionen. Fragen wir also andersrum: Wieviel Geld dieser 200 Milliarden wird weiterhin in Forschung investiert? Kein Kommentar.

Ist HIV-Medizin ein Wachstumsmarkt?

Ja, kauft Aktien – wenn ihr in der priviligierten Möglichkeit dazu seid. Zumindest dann wenn für euch Geld vor sozialem Handeln kommt. Die Gewinne mancher Pharmakonzerne haben sich zwischen 2015 und dem zweiten Quartal 2018 im Sekment der HIV-Medikation nahezu verdreifacht.

Zahlt die Pharmaindustrie denn brav ihre Steuern?

Ja – nur nicht da wo es weh tut: Bermudas, Caymen Island, Bahmas, Luxemburg, Irland stehen auf den Adressfeldern der Pharmaindustrie ganz weit oben – eben all die Ländern auf denen Steuern ganz weit unten sind.

Machen es die paar Steuern aus?

Drei Beispiele: Der Konzer Pfizer umgeht in den USA 20 Milliarden an Steuer, bei Merck sind es 16 Milliarden Ersparnis und Johnson & Johnson spart 14 Milliarden. Aber Steuervermeidung klingt natürlich dafür viel angenehmer.

Es ist ernüchternd und frustrierend. Und es ist noch viel Arbeit. Die Pharmaindustrie rettete vielen von uns unser Leben. Dafür danke. Aber ich habe den Anspruch dass dieses Recht jedem Menschen zu Teil wird. Und ja: Es gibt sie auch – die positven Beispiele in denen die Pharmaindustrie die Community mit Kampagnen, Sponsoring, Übernahme von Reisekosten, Teilnahme an Konferenzen unterstützt: mehr davon bitte.

Wir haben die Medikamente – wieso sterben also noch 40 Prozent der weltweit HIV-Infizierten weil ihnen der Zugang fehlt? Antwort: Wegen der Gier auf Geld.

Lasst uns gemeinsam als Community daran arbeiten, dass Zahlen verbreitet werden, dass die Willkür von Preispolitik in diesem Bereich beendet wird und das Gelder ordentlich versteuert werden. Lasst uns dafür kämpfen, dass jeder Mensch ein Recht auf Behandlung hat: #acessforall #ACTIVISTSUMMIT #AIDS2018

Ich freue mich wenn ihr meinem Blog folgt, ihn teilt und mitdiskutiert.

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Was ist der HIV-Community-Aktivisten-Gipfel?

2003 trafen sich unter diesem Namen erstmals 120 HIV-Aktivist_innen aus insgesamt 67 Ländern in Kapstadt/Südafrika um insbesondere die Rechte der Community und den Blick der HIV-positiven Menschen als selbstverständlichen Bestandteil in die Konferenz zu integrieren. Zu dieser Zeit war der Zugang zu Medikation katastrophal und Aktivist_innen waren insbesondere mit den Folgen der Aids-Epidemie beschäftigt.

15 Jahre später werfen wir heute einen Blick darauf wie weit wir weltweit mit dem Engagement gekommen sind: Wie erfolgreich arbeiten HIV-Aktivsten? Und wie kann es gelingen eine klare Forderungs-Agenda zu kreiieren für die Aufgaben, die noch vor uns liegen?