Rebecca: „Ich muss dir was sagen.“

Rebecca unterstützt die Kampagne wissen-verdoppeln.hiv

Kurz bevor Rebecca Jackson Sex mit ihrem Freund haben will, sagt er ihr: „Ich bin HIV-positiv.“ Die Nachricht ist für sie zunächst ein Schock. Doch seit diesem Moment setzt sich Rebecca dafür ein, dass immer mehr Menschen wissen: „Schutz durch Therapie funktioniert.“

2018 schrieb Rebecca unter dem Titel „Fucking with HIV“ einen Gastbeitrag für magazin.hiv. Ein Auszug:

Ich muss dir was sagen. Das sind nicht die Worte, die ich hören will. Eigentlich überhaupt nicht und schon gar nicht jetzt, wo ich nackt und geil bin, und nicht aus dem Mund, den ich gerade geküsst habe. Ich bin HIV-positiv. Und in meinem Kopf dreht sich „Sterben-Kinder-in-Afrika-Tom-Hanks-Haarausfall-Sterben-superabgemagert“.

Das war vor über einem Jahr. Mein Partner, den ich damals einfach weiter küsste, und ich haben seitdem so manche komplizierte Situation durchlebt, sowohl emotional als auch körperlich. Von diesen Erfahrungen möchte ich hier erzählen, denn ich hoffe, dass ich damit die Leute aufklären und etwas gegen das Stigma tun kann, das es rund um HIV immer noch gibt.

„Ich bin HIV-positiv.“

„Äh. Pfff. Okay. Puh. Also, äh, okay, darüber muss ich erst mal nachdenken, bevor wir Sex haben.“

Kein „Danke, dass du mir das erzählst!“, kein „Okay, und wie kommst du damit klar?“, kein „Tut mir leid. Aber ich habe gehört, dass das kein Riesenproblem ist. Nimmst du antiretrovirale Medikamente, sodass deine Viruslast unter der Nachweisgrenze ist und HIV nicht übertragen werden kann?“.

„Äh. Pfff. Okay. Puh. Also, äh, okay, darüber muss ich erst mal nachdenken, bevor wir Sex haben.“

Stattdessen fühlt er sich zurückgewiesen. Ausgegrenzt. Und ich habe Angst und Vorurteile und bin sogar enttäuscht. Enttäuscht, dass ich jetzt keinen Sex mehr mit diesem superheißen Typen haben kann, denn wenn ich Sex mit ihm habe, werde ich krank. Oder nicht?

Wer den gesamten Gastbeitrag von Rebecca lesen will, findet diesen hier: https://magazin.hiv/2018/05/10/fucking-with-hiv/

Rebecca schreibt nicht nur, sondern setzt sich auch sonst dafür ein, dass die Botschaft „Schutz durch Therapie wirkt“ verbreitet wird. Sie unterstützt die aktuelle Kampagne http://www.wissen-verdoppeln.hiv

Zum Kampagnenstart traf ich Rebecca für ein kurzes Interview in Berlin:

Unter http://www.wissen-verdoppeln.hiv findet ihr auch andere spannende Botschafter_innen mit ihren Geschichten. Ferner könnt ihr dort eure eigene Geschichte erzählen. Unterstützt die Kampagne!

https://wissen-verdoppeln.hiv

PrEP: Nina Queer macht sich ihr eigenes BILD

Screenshot: Quelle BILD

Seit einigen Stunden online und erneut erfolgreich – zumindest die Viralität der Bild-Kolumnen von Nina Queer sprechen für sich. Inhaltlich schafft die vom Verlag zur „Promi-Dragqueen“ gekührte Meinungmacherin leider nur das zu erwartende Niveau des 4-Buchstaben-Journalismus.

In ihrer neusten Kolumne mit der provakanten Überschrift „Freie Fahrt für wilde Nutten: “ So gefährlich ist PrEP!“ wendet sich die Möchtegern-Botschafterin mit halbwahren und schlecht recherchierten Aussagen an „ihre Familie“ – ihr rät sie: „auf euch und eure Lieben besonders gut aufzupassen.“ Denn, so will die Fachdrag wissen:

„Eine PrEP-Pille ist nichts anderes als eine Art „kleine Chemotherapie“….Jeder, der diese Therapie anwendet , muss sich bewusst darüber sein, dass er seinem Körper und natürlich auch seiner Psyche schadet.“

Um der geneigten Bild-Leserschaft dann noch die benötigte Dosis aus Angst und Dramatisierung beizufügen, erklärt sie:

„Nach den USA gibt es nun auch in Europa erste Fälle, bei denen es trotz Einnahme von PrEP zu einer HIV-Infektion kam.“

Themen wie Adhärenz (kurz gesagt das Einhalten des Einnahmeschemas bei verschreibenen Medikamenten) lässt sie natürlich ebenso weg, wie Quellenangaben.

Dafür schafft sie die geschriebene Drohkulisse noch zu erhöhen mit dem Satz:

„Dazu kommt, dass durch ungeschützten Sex die Syphilis, Tripper, Herpes, und Pilze wieder Oberwasser gewinnen. Gerade in Berlin ist die Syphilis augenblicklich nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen“ erklärt die „Expertin“.

Zur Klarstellung: PrEP-Patient_innen sind hierzulande in ähnlicher medizinischer Versorgung wie HIV-Patient_innen: Die regelmäßigen Checks schließen zumeist auch Untersuchungen auf oben genannte Infektionen mit ein. Die Folge: Diese Personengruppe wird bei einer Infektion wesentlich schneller therapiert als die breite Durchschnittsbevölkerung, die aufgrund zu seltener Testung zumeist überhaupt nichts von ihrer Infektion weiß und daher der Hauptgrund für den aktuellen Anstieg – beispielsweise bei Syphilis – darstellt.

Nicht die PrEP-Gebrauchende, sondern Menschen die nicht regelmäßig zum Test gehen sind also die Herausforderung, wenn man Infektionszahlen eindämmen möchte.

Dies alles lässt Nina Queer natürlich in ihrem Text außen vor. Dafür stellt sie pauschal alle Menschen die sich durch PrEP vor einer Ansteckung durch HIV schützen an den Pranger:

„Kein Medikament der Welt sollte über einen so langen Zeitraum und so intensiv eingenommen werden, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Und schon gar nicht, wenn man sich bester Gesundheit erfreut. Und genau DAS ist ja immer das Argument von PrEP-Verwendern: „Ich nehme es, um gesund zu bleiben“. Ein einziges Oxymoron“, so Nina Queer.

Mit Oxymoron baut die Autorin – in Hoffnung auf die Unterstreichung von Glaubwürdigkeit – noch geschickt einen Fachbegriff ein, bei dem wohl die meisten Leser_innen der Zeitung mit den vier roten Buchstaben erstmal nachschlagen müssen um zu verstehen, dass es sich dabei um den Fachbegriff sich zwei einander widerspechender oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen – wie beispielsweise Hassliebe, Regelausnahme oder BILD-Qualitätsjournalismus – handelt.

Geschweige denn, dass – um nur ein Beispiel zu nennen – auch beim Thema Verhütung durch die sogenannte „Anti-Baby-Pille“ seit Jahrzehnten neben anderen Möglichkeiten eine chemische Option geschaffen wurde, die auf Freiwilligkeit setzt, lässt die Verfasserin völlig außer acht, dass die PrEP für Menschen in der Hochzeit ihrer Sexualiät durchaus ein Mittel sein kann, auf dass dann in ruhigeren Zeiten wieder verzichtet werden kann. Es kann gleichermaßen anlassbezogen wie dauerhaft eingenommen werden – die Wahl daürber hat jede Person selbst.

Und dann warnt Nina noch: „Aber 100 Prozent sicher ist das Wundermittel nicht!“ Nicht nur das auch Kondome keinen 100prozentigen Schutz bieten – bei korrekter Einnahme der PrEP und unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle bietet diese Schutzmaßnahme sehr wohl einen sicheren Schutz vor dem HI-Virus. So sicher, dass die PrEP inzwischen – nach strengsten Prüfungen – auch von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland bezahlt wird.

Artikel und Kommentare wie dieser von Nina Queer schaden der Prävention, verunsichern Menschen und fördern in der Folge eher die Infektionszahlen.

Als ein Mensch der selbst seit rund zwanzig Jahre mit dem HI-Virus lebt, weiß ich wie sehr auch in meinem Umfeld die PrEP zu einer Verbesserung für die Safer Sex Strategie vieler Menschen geworden ist. Neben Kondomen und nebem dem Schutz durch Therpaie ergänzt die PrEP die Möglichkeiten sich wirksam vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen.

Pauschale und schlicht falsche Aussagen wie in Nina Queers Bild-Kolumne schaffen nur Verunsicherung und verhindern die wichtige Arbeit im gemeinsamen Ziel Aids weltweit bis 2030 zu beenden.

Die PrEP leistet dazu einen enormen Anteil.

Screenshot Quelle: BILD

Unter einem der Bilder von Nina in der Kolumne steht:

Nina Queer hat zu PrEP ihre eigene Meinung und wirft den Pharma-Konzernen vor, Ängste zu schüren.“

Wer hier jedoch wirklich Ängste schürt vermag jede Person selbst zu erkennen.

My heart wil go on – für alle Menschen die Präventionsarbeit unterstützen und für die „wilden Nutten“ mit freier Fahrt.

Dir gefällt dieser Blog? Dann würde ich mich sehr freuen, wenn du unten rechts auf FOLGEN klickst. Danke für deinen Support!

HIV 2018: Zwischen PrEP-Euphorie & explodierenden Neuinfektionszahlen in Osteuropa

„Breaking Barriers – Building Bridges“ (Barrien überwinden – Brücken bauen) – so lautet das Motto der 22. Internationalen AIDS-Konferenz, die in diesem Jahr zu Gast in den Niederlanden ist.

Bis zum 27. Juli treffen hier in Amsterdam über 15.000 Menschen aufeinander: Ärzt_innen, Journalist_innen, die Vertreter_innen der Pharmaindustrie und jede Menge HIV-Aktivist_innen aus aller Welt: gemeinsam planen, diskutieren und fordern wir das Ende der Aids-Epidemie bis 2030.

Die Konferenz ist zum zweiten Mal nach 1992 in Amsterdam und zählt heutzutage zu den sogenannten Fast-Track-Citys die in besonderem Maße am Ziel Aids bis 2030 zu beenden mitwirken.

img_3826-1

Seit der letzten Welt-AIDS-Konferenz in Südafrika ist viel passiert. Die PrEP (mit der man sich mittels Tablette vor einer HIV-Infektion schützen kann) hat in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren eien wahrhaftige Erfolgsgeschichte hingelegt: Mit Wegfall der Patentrechte senkte sich der monatliche Bezugspreis von über 800 Euro auf durchschnittlich 40 Euro: die PrEP wurde zum finanzierbaren HIV-Schutz.

Die Wirksamkeit dieser Methode überzeugte nunmehr auch den Bundesminister für Gesundheit – pünktlich zum Start der Welt-AIDS-Konferenz erklärte gestern das Ministerium, dass beabsichtigt sei die PrEP als Krankenkassenleistung zu etablieren.

Mit der PrEP auf Rezept steigt Deutschland in die Königsklasse der HIV-Versorgung auf.

Andere europäische Länder haben diesen Schritt schon früher gewagt. Das Ergebnis sind deutlich gesunkene Neuinfektionszahlen und eine gute Annahme dieser HIV-Prophylaxe insbesondere in der MSM-Szene (Männer, die Sex mit Männern haben).

Die Welt ist ein Dorf. Leider nur nicht wenn es um HIV-Versorgung geht.

Diese Konferenz – die eigentlich erst am Montag startet – und mit den derzeitigen Vorkonferenzen gerade erst an Fahrt aufnimmt spiegelt jetzt schon deutlich in welcher priviliegierten und glücklichen Situation wir in West-Europa leben. Bei meinem Besuch vor zwei Jahren auf der Konferenz in Südafrika waren wir zu Gast in einem Land mit der von HIV am höchsten betroffenen Bevölkerung.

Ich möchte diese Konferenz nutzen um nicht nur über den Fortschritt in West-Europa zu berichten, über die Erfolge der PrEP und den großartigen Aktionismus der Community im Kampf gegen Stigma, Ausgrenzung und Diskriminierung.

Ich möchte den Finger auch in die Wunde legen die brennt: Denn während nunmehr auch in Deutschland in Kürze der Schutz durch eine Pille vorab vor HIV seinen entscheidenden Schritt zur Beendigung der Aids-Epidemie leisten wird, sterben in vielen Teilen dieser Welt noch immer die Menschen an den Folgen des Virus.

Über 40 Prozent der Menschen mit HIV auf der Welt fehlt nach wie vor der Zugang zu wirksamen Medikamenten: weil Medikamente nicht verfügbar, nicht finanzierbar, nicht bekannt sind. Wenn die Therapiequote weltweit laut Angaben von UNAIDS bei knapp 60 Prozent liegt, bedeutet dies das noch immer über 40 Prozent der Menschen an den Folgen von Aids sterben.

  • Wie soll das Ziel Aids bis 2030 zu beenden gelingen, wenn wir derzeit in osteuropäischen Ländern eine Zunahme der Infektionszahlen verzeichnen?
  • Wie lässt sich Prävention und Aufklärung in Ländern betreiben, die nach offiziellen Angaben keine HIV-Fälle haben?
  • Wie kann es gelingen Länder wie Russland oder Nigeria in denen rund ⅔ aller HIV-Infizierten keinen Zugang zur Behandlung haben in das Vorhaben #EndingAIDS2030 zu integrieren?
  • Wie können wir den Menschen südlich des Äquators helfen, die immer noch an diesen Virus ihr Leben verlieren?
  • Wie ermöglichen wir einer ganzen Genration von Aids-Waisen ein zukunftsorientiertes Leben?

Seit meiner Zeit in Südafrika hat sich mein Leben verändert. Die vielen Kinder die auf der Straße als Aids-Waisen ein Leben am Rande der Gesellschaft führen, die Gespräche mit HIV-Aktivist_innen aus Russland die täglich mit ihrer Verhaftung rechnen, die Ohnmacht von Hilfsorganisationen die sich um Sexarbeiter_innen, drogengebrauchende Menschen und Kinder mit HIV kümmern – sie alle waren und sind Ansporn für mich all meine Energie in den HIV-Aktionismus zu stecken, aufzurütteln, das Thema zu verbreiten, laut zu sein.

Und zwar solange bis kein Mensch mehr auf dieser Welt an den Folgen von Aids sterben muss – gleich ob das nun bis 2030 gelingt oder nicht. Lasst uns also in den nächsten acht Tagen hier in Amsterdam gemeinsam die Zeit nutzen, dort hinzuschauen und die mediale Aufmerksamkeit hinzulenken wo sie am dringendsten benötigt wird: Ruhen wir uns bitte nicht auf den Erfolgen der Gesundheitspolitik in unserem Land aus, sondern nutzen wir die dadurch erlangte Kraft für die HIV-Freund_innen auf der Welt die uns dringend brauchen.

Das ist meine Sicht auf das Motto: Barrien überwinden – Brücken bauen.

Packen wir´s an. Es gibt noch so viel zu tun. Goedendag aus Amsterdam. Hallo Welt.

#AIDS2018

Danke, für jeden Support zur Welt-AIDS-Konferenz: liken, teilen, mitdiskutieren und unsere Botschaften in die soziale und reale Welt tragen. Rechts unten kannst du diesem Blog folgen – danke dafür.

Tulpen, Fahrräder und eine gute Nachricht von Jens Spahn

Morgen beginnt der Internationale AIDS-Konferenz. Holger Wicht (Pressesprecher des Deutschen AIDS-Hilfe e.V.) und ich sind mit einigen anderen Vertreter_innen heute schon nach Amsterdam gereist.

Ein schönes Abschiedsgeschenk gab es als Meldung des Bundesministers für Gesundheit mit auf die Reise: Die PrEP soll Kassenleistung werden.

Florian und Holger über #AIDS2018:

Hier die Meldung des Ärzteblatt:

HIV-Präexpositions­prophylaxe soll Kranken­kassenleistung werden

/mbruxelle, stockadobecom

Berlin – Die HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) soll in den Leistungskatalog der gesetzlichen Kran­ken­ver­siche­rung (GKV) aufgenommen werden. Das hat Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) erklärt. Er wolle dafür sorgen, „dass Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko einen gesetzlichen Anspruch auf ärztliche Beratung, Untersuchung und Arzneimittel zur Präexpositionsprophylaxe erhalten“, kündigte er im Vorfeld des Aidskongresses an. Das Vorhaben soll noch in diesem Monat auf den Weg gebracht werden.

Spahn betonte, dem bestehenden Wildwuchs, den es derzeit rund um PrEP in Deutschland gebe, wolle man „ein strukturiertes Angebot entgegensetzen“. „Denn nur richtig genommen, wirkt es. Falsch gemacht, steigt im Gegenteil eher das Risiko von Resistenzen und Ansteckungen“, erklärte der Minister. Für ihn sei PrEP „ein wirksamer Schutz gegen HIV“. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass die HIV-Infektionszahlen durch PrEP deutlich gesenkt werden könnten.

Kassen und Ärzte sollen Anspruchsbrechtigte festlegen

Im Detail plant Spahn, dass Versicherte mit erhöhtem HIV-Infektionsrisiko Anspruch auf PrEP erhalten. Dazu gehören eine ärztliche Beratung, die für die Anwendung der Arzneimittel erforderlichen Untersuchungen sowie die Verordnung und Erstattung der Arzneimittel. Die Beratung, Untersuchung und Verordnung sollen nur durch Ärzte mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrung vorgenommen werden.

Wer zum Kreis der Anspruchsberechtigten zählt, sollen GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) aushandeln. PrEP richtet sich vornehmlich an Männer, die mit Männern Sex haben (MSM). Denkbar wäre auch medizinisches Personal. Der Bewertungsausschuss soll innerhalb von drei Monaten eine Vergütung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) dafür festlegen.

Nach Schätzungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) könnten etwa 10.000 Menschen in Deutschland PrEP in Anspruch nehmen. Die Kosten bezifferte das Ministerium auf 50 Euro je Patient und Monat. Man rechne mit einer weiteren Preissenkung, hieß es. Nach Informationen des Deutschen Ärzteblattes liegen die Kosten für das Arzneimittel für eine Monatspackung zwischen 50 und 700 Euro. Die Zahl variiert je Hersteller, zusätzlich sind in den vergangenen Monaten mehrere Generika auf den Markt gekommen. Hinzu kommen ärztliche Quartalsuntersuchungen – etwa für Laborwerte auf HIV und Sexualkrankheiten –, die bei der Einnahme des Arzneimittels notwendig sind und die sich auf rund 400 Euro pro Jahr und Patient belaufen.

Das BMG verwies auf Daten aus Ländern, in denen PrEP seit einigen Jahren als ergänzender Baustein eingesetzt wird. Dort sei die Zahl der Neuinfektionen deutlich gesenkt worden. „Im vergangenen Jahr wurden aus San Francisco, England und Neusüdwales (Australien) starke Rückgange um bis zu 40 Prozent der HIV-Neuinfektionen gemeldet. In all diesen Regionen ist die PrEP eingebunden in ein Beratungs- und ärztliches Versorgungssystem, erweiterte Testangebote, Selbsttests, frühzeitige Behandlung“, so das Ministerium. Das BMG kündigte weiter an, die Wirkung der PrEP bis Ende 2020 evaluieren zu wollen.

Pro und Contra

In Deutschland befindet sich die Rate der HIV-Neuinfektionen seit Jahren auf ungefähr demselben Stand (circa 3.100 pro Jahr). Zahlreiche Studien haben bereits gezeigt, dass PrEP die Ansteckung mit HIV verhindern kann. Zugleich zeigen sie einen sorglosen Umgang mit der Gefahr auf. Mit dem Vorhaben schlägt das BMG auch eine neue Richtung bei der Bezahlung von Prophylaxe ein.

Als Prävention sähen die Kassen allerdings keine Rechtsgrundlage für eine Kostenübernahme durch die GKV. „Um das Infektionsrisiko zu senken, sind an­de­re Schutzmaßnahmen, insbesondere die Verwendung von Kondomen, verfügbar, die der Eigenverantwortung für eine gesundheitsbewusste Lebensführung zuzurechnen sind“, betonte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands, damals.

Die Kassen wiesen auch darauf hin, dass der Gesetzgeber Arzneimittel, bei deren Anwen­dung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht – wie etwa der Behand­lung erek­tiler Dysfunktionen oder der Steigerung der sexuellen Potenz – von der Versor­gung ausgeschlossen habe. Die Finanzierung von Arzneimitteln, die dazu dienen, die Ausü­bung sexueller Aktivitäten zu ermöglichen, obliege in der Arzneimittelversorgung der Ei­gen­verantwortung der Versicherten. „Wir gehen davon aus, dass diese gesetzliche Vor­ga­be auch in diesem Fall greift“, so Lanz 2016. Damals hatte sich auch Josef Hecken, Chef des Gemeinsamen Bundesaus­schus­ses (G-BA), geäußert. Er vertrat die gleiche Ansicht wie die Krankenkassen.

Ärzte begrüßen Pläne

Die Deut­sche Aidshilfe forderte hingegen schon vor zwei Jahren eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes oder eine Erwei­te­rung der Schutz­impfungs­richt­linie des G-BA. Danach sollte das oberste Gremium der Selbstverwaltung von Ärzte­schaft und Krankenkassen auch über die Erstattungs­fähigkeit von medikamen­tösen Pro­phy­laxen befinden können.

Die heutigen Pläne werden von den HIV/AIDS-spezialisierten Ärzte und Apotheker begrüßt. Erik Tenberken, Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft HIV- und Hepatitis-kompetenten Apotheken (DAHKA): „Ge­sund­heits­mi­nis­ter Spahn setzt das richtige Signal: Die PrEP ist eine große Chance für die HIV-Prävention in Deutschland.“ Axel Baumgarten, Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä) erklärte auf Anfrage: „Wichtig für die PrEP sind Qualität und Beratung. Sie gehört deshalb bei Ärzten und Apothekern richtigerweise in Spezialistenhände.“ © may/bee/aerzteblatt.de

Let´s talk about Chems, Baby!

07B13A97-7C74-4327-97FC-5E2707760FE1

„Du hast ganz schön zugenommen.“ Die Worte mit denen mich ein Kongressteilnehmer begrüßt sind hart, aber herzlich. Rede ich mir zumindest ein und versuche dabei Bodyshaming auszublenden. Denn wo er recht hat, hat er recht. Mit dem Abschied vom Chemsex kamen nunmal die Kilos: gesunde Kilos.

Chemsex – darum dreht sich auf dem 2. ChemSex Forum, welches derzeit in Berlin stattfindet, alles. Mehrere hundert Teilnehmer_innen aus der ganzen Welt diskutieren über Best Practice Möglichkeiten, Hilfsangebote und die Ohnmacht der Szene.

Immer wieder fällt der Vergleich zur AIDS-Krise in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts, einige beschreiben gar die Stimmung die über diesem wichtigen und kreativen Kongress liegt als die gleiche Solidaritätsstimmung, mit der sich damals aus der Selbsthilfe heraus die heutige AIDS-Hilfe gründete.

 

Wir stecken noch in Kinderschuhen, was die Hilfs- und Präventionsprogramme rund um das Thema angeht – zumindest wenn wir den Blick auf England richten – in denen David Sutart mit seinem Projekt in der Dean Street 56 für weltweites Aufsehen sorgt.

IMG_1788

David gelang es schon vor Jahren zu erkennen, dass der Schlüssel zur erfolgreichen Arbeit ist, vollkommen ohne Stigmatisierung über Chems und Sex zu sprechen. Das ist bei diesem Thema – insbesondere hierzulande – eine enorme Herausforderung. Viel zu stark werden immer noch User mit Vorurteilen oder Klischees überschüttet, statt verstanden: ChemSex-User sind Menschen wie du und ich.

Viel zu schnell wird gefragt nach dem WARUM, statt zu begreifen, dass der derzeitige ChemSex-Anteil in der Szene vorhersehbar war. Ein Blick in die USA oder nach England hätten vor fünf Jahren genügt, um zu begreifen, was da auf uns zurollt.

Ich habe selbst oft genug erleben müssen wie im Präventionskontext dieses Thema als banale Randerscheinung abgetan wurde, Zahlen in Berlin mit dem Gay-Tourismus rechtfertigt wurden oder in den sozialen Medien mit „keine Drogenopfer“ eine Randgruppe von einer Randgruppe selektiert wurde.

Wer sich wirklich für das WARUM interessiert, muss nur verstehen wie die schwule Szene heute datet: Gayromeo, Grindr oder Scruff haben längst die persönliche Ansprache in einer Bar, einem Club oder den anonymen Sex auf Klappen oder in Saunas abgelöst.

Bequem und mit wenigen Klicks lassen sich so tausende potentieller Sexpartner ausgrenzen: kein Bauch, XXL-Schwanz, maximal 25 Jahre. Längst bleibt in diesem System des schwulen Online-Rasters ein Großteil der Szene auf der Strecke.

Was früher durch Charme, ein Lächeln oder die Einladung auf einen Drink am Tresen wettgemacht werden konnte, findet heute nicht einmal mehr die Chance auf Einblendung in den Suchergebnissen.

IMG_1832

Unter diesen Vorzeichen war die Epedemie des ChemSex in unserer Szene nur eine Frage der Zeit. Denn Substanzen die eine neue Art der Zugehörigkeit vermitteln, über psychoaktive Veränderung Trieb fördern und dabei äußerliche Merkmale außen vor lassen, die müssen erfolgreich sein. Und dabei lasse ich in der Aufzählung noch jegliche tiefgründigere Erfolgserplebnisse weg: Den vermeintlichen Erfolg über psychische Leiden, das Ausblenden der eigenen Lebenssituation, die Veränderung unserer Community.

„Wir sollten in unserer Community aufeinander achten“ war das Credo dieses Kongresses. Als schwule Männer ist uns dieses Miteinander schon einmal gelungen als HIV und AIDS die dominierende Macht über uns erlangt hatte. Es ist Zeit zu erkennen, dass unsere Szene heute erneut vor einer solchen Macht steht: ChemSex wird die Community verändern.

IMG_1794

Ich selbst habe kurz vor Weihnachten einen guten Freund verloren, nicht an die Folgen von HIV und AIDS sondern an die Folgen von Crystal Meth, Mephedron, GHB/GBL und deren Ausbreitung in unserer Szene.

Und ja, es gibt sie, die „Happy Users“ – diejenigen in unserer Szene, denen der kontrollierte Konsum mit den starken Drogen gelingt: Der zweite europäische ChemSex-Kongress war nichts für sie. Dieser Kongress widmete sich der großen Mehrheit, die oftmals verzweifelt, hoffnungslos und noch ohne Plan – teils in vielen Anläufen – versuchen, diese Substanzen hinter sich zu lassen.

Neben professionellen Angeboten von Suchtkliniken, Therapeuten oder so großartigen Institutionen wie der Berliner Schwulenberatung kann der erste Schritt zur Hilfe das persönliche Gespräch mit einem User sein. Nicht schweigen, nicht veruteilen, nur zuhören und Fragen stellen, empfahl David Stuart und stellte seinen Care Plan vor: ein Instrument für jeden der seine Hilfe einem Freund angedeihen lassen möchte. Mehr als den Mut auf das Gespräch bedarf es dazu nicht.

David Stuarts Care Plan findest du hier: CARE PLAN. Probier ihn aus! (auch in deutsch)

Für alle Berliner – hier finden sich Infos zu den Angeboten der Schwulenberatung Berlin:

IMG_1830

In kleinen Schritten und mit kleinen – aber umso wichtigeren – Erfolgserlebnissen kann der Ausstieg aus dem ChemSex gelingen. Dabei steht nicht immer die absolute Abstinenz im Vordergrund, sondern vielmehr das Ziel das sich User selber geben: eine kurze Pause von den Chems, Harm Reduction oder der langfristige Ausstieg.

Es bedarf Geduld und mitunter ganz viel Zeit. Es bedarf aber allen voran den erneuten Anlauf unserer Community die ChemSex-User als Teil unserer Szene zu begreifen. So wie in den 80er-Jahren auch plötzlich alle mit HIV Infizierten Teil der Community waren.

Der erste Schritt – den jeder von uns leisten kann – ist die Akzeptanz, die die Grundlage erfolgreicher Therapiemodelle erfordert.

Und ja noch was : „Sleazy pigs can be emotional, too.“

Ich freue mich sehr über deine Kommentare, den Austausch und wenn du meinem Blog folgst oder diesen Beitrag teilst – vielen Dank für deine Unterstützung.

Lust auf ChemSex-Theater. Am 24. un 25.03. im Wilden Oskar:

IMG_1814

 

 

 

Die PrEP kommt…

Ich glaub es geht schon wieder los: In zwei Tagen starten die Positive Begegnungen 2016 in Hamburg. Ich freue mich von dort für euch über viele spannende Themen und Neuigkeiten zu HIV/Aids in meinem Blog flosithiv.com zu berichten.

Folgt gerne diesem Blog, liked, kommentiert und diskutiert mit mir und meinen Gesprächspartnern – wir freuen uns drauf. Die Positiven Begegnungen finden alle zwei Jahre statt und bieten der Community eine Plattform zur Weiterbildung und zum Austausch bis zum kommenden Sonntag in der schönen Hansestadt.

Und im Vorfeld der PoBe stehen die Zeichen bei der EU schon mal ganz gut: Die EU-Komission erteilte gestern die Zulassung zur HIV-PrEP. Sie verhindert die Übertragung von HIV prophylaktisch. Neben dem Kondom bietet die PrEP eine weitere Schutzmöglichkeit vor dem HI-Virus. Vorallem schwule Männer mit hohem HIV-Risiko bietet die PrEP zukünftig eine gute, weitere Schutzmöglichkeit.

Mehr Infos zur PrEP findet ihr bereits bei mir im Blog unter:

https://flosithiv.com/20…/…/24/darf-ich-doktor-zu-dir-sagen/

Neben dem Medizinreferenten Armin Schafberger (den ich so gern den Ehrendoktor verleihen würde) sprach ich bei meiner Teilnahme der Welt-Aids-Konferenz in Durban/Südafrika auch mit Dr. (diesmal wirklich ein Doktor-Titel ;-)) Will Nutland von Prepster.info – einer Seite die Menschen beim Erwerb der PrEP behilflich ist. Seht selbst:

Olympisches Gold: HIV-Vorsorge in Brasilien

Zum Auftakt der Olympischen Spiele schaut flosithiv.com nach Rio de Janeiro

image
Ich bin ein positiver Journalist. Nicht nur aufgrund meines seit langem öffentlichen HIV-Status, sondern vielmehr aufgrund meiner Einstellung zum Leben und der Art und Weise mit der ich an die Berichterstattung herangehe. Wenn ich beim allmorgendlichen Blick heute über die Medienlandschaft das sichte, was meine Kolleg*innen der Tagespresse so über die gestrige Eröffnung der 31. Olympischen Spiele in Rio de Janeiro so schreiben, dann wird mir übel.

Mit sportlicher Berichterstattung hat dies sowieso nichts zu tun, jedoch so scheint es, bedient man in nicht enden wollenden Berichten all die Leser, die sich bei der morgendlichen Zeitungslektüre daran erquicken, was in anderen Ländern und Städten doch alles nicht funktioniert. Da liest man von verdrecktem Wasser, von Umweltsünden, von nicht fertiggewordenen Bauarbeiten und vom Drogenkrieg.

Keine Frage – das „System Olympia“ ist korrupt und hinterlässt wo immer es auftaucht Spuren. Teils hässlich und nicht hinzunehmende Spuren wie die Zwangsumsiedelungen von Menschen die im Vorfeld der Spiele in Rio stattgefunden hat. Wissen wir also und schauen trotzdem brav weiter mit einem Gläschen Wein in der Hand die ach so bunt gestaltete Eröffnungsfeier. Schön ist das.

Nein, ich möchte jetzt nicht auf die mediale Macht jedes Einzelnen hinweisen, vielmehr möchte ich – wie angekündigt – einen positiven Beitrag zum Gastgeberland veröffentlichen. Denn bei der PrEP – also der Vor-Risiko-Vorsorge vor HIV – ist Brasilien vielen anderen Teilnehmerländern der olympischen Spiele einen ganzen Schritt voraus. Wie ihr wisst, war ich kürzlich auf der Welt-Aids-Konferenz in Durban. Und genau dort kündigte Adele Benzaken, Chefin der Fachabteilung für HIV und Aids im brasilianischen Gesundheitsministerium an, bereits ab Ende 2016 die HIV-PrEP für besonders betroffene Zielgruppen kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Das heisst im Klartext: Wer eine erhöhte Gefahr hat, sich mit HIV zu infizieren – hierzu zählen insbesondere Männer die Sex mit Männer haben, Trans*-Menschen und Sexarbeiter*innen – bekommen ab Ende des Jahres die Tablette, die vor einer HIV-Infektion schützt auf Staatskosten verschrieben. Vorbildlich.

Und noch was: Die knapp 750.000 Menschen die in Brasilien bereits mit HIV leben bekommen schon seit geraumer Zeit ihre HIV-Behandlung vom Staat bezahlt. Das ist also weit über dem was andere Ländern für die HIV-Vorsorge und HIV-Behandlung leisten.

Das ist in Sachen HIV-Vorsorge nicht nur vorbildlich. Das ist ganz sicher olympisches Gold.

image

Florian Winkler-Ohm ist Journalist und HIV-positiv. Der gebürtige Augsburger lebt mit seinem Freund in Berlin und betreibt unter anderem den HIV-Blog flosithiv.com.

HIV-PrEP-Interview unter Palmen: Dr. Will Nutland & Flo

Auch hier in Durban wird umfangreich über die PrEP diskutiert. Bei der Pre-Exposure Prophylaxis (PrEP) nehmen HIV-negative zum Schutz vor einer Ansteckung HIV-Medikamente ein. Das kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn man sich aufgrund bestimmter Risikosituationen temporär vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen möchte.

Viele Kritiker meinen: Wieso soll ich eine Pille (Prophylaxe) schlucken um die Einnahme einer anderen Pille (HIV-Mediaktion) zu verhindern? Ganz einfach: Weil jeder von uns Zeiten im Leben hat, in denen er oder sie besonders sexuell aktiv ist und damit auch ein erhöhtes Infektionsrisiko hat. Nimmt jemand in dieser Zeit die PrEP und bleibt von einer Infektion verschont, kann so zu einem späteren Zeitpunkt im Leben – an dem kein  Risiko mehr für eine Infektion besteht – ein Leben ohne HIV-Medikamente geführt. Ob und für wen das Sinn macht – darüber muss sich jeder selbst sein Urteil bilden.

Unbestritten ist: Die PrEP ist – richtig angewendet – ein wirksamer Schutz vor der Ansteckung mit HIV. Genügend Studien beweisen das inzwischen. Hätte es die Möglichkeit vor zehn Jahren bereits gegeben: Ich hätte sie genutzt.

Mehr Infos zur PrEP findet ihr hier:

HIV-PrEP: HIV-Medikamente für Negative zum Schutz vor einer Ansteckung

Als ich vorhin Dr. Will Nutland (London School of Hygiene & Tropical Medicine) am Stand traf, der hier fleissig für prepster.info unterwegs ist, war mir klar:

Schnapp dir den Mann, die Kamera und die nächste Palme.

Hier seht ihr (auf englisch) was dabei rauskam:

VIDEO ist in Kürze verfügbar.