200 Tage ohne SchwuZ

Ein Club ist ein Club ist Intimität ist eine Utopie ist Solidarität ist ein Safer Space ist Alltagsflucht ist eine Vision ist Awareness ist ein Zuhause ist Hedonismus ist ein Mikrokosmos ist Ekstase ist eine Chance.

Seit 200 Tagen ist das alles weg. Wer auf http://www.schwuz.de geht sieht einen Zähler, der seit über sechs Monaten unwillkürlich tickt. Ein Ende ist vorerst nicht in Sicht.

Diesen Blog nutze ich, um über mein Leben mit HIV zu schreiben. Mein Beruf als Geschäftsführer des größten und ältesten queeren Clubs in Deutschland – dem SchwuZ – spielt dabei meistens keine Rolle. Aber zum ganzen Bild gehört auch dieser unweigerlich dazu. Die letzten Monate zehrten an meiner Kraft und auch an der des Teams um mich herum.

Obwohl wir seit dem 13. März nicht mehr öffnen durften, arbeitete ich mehr als je zuvor. Anträge für Überbrückungshilfen, KfW-Kredit, Verhandlungen mit den Vermietern, Kurzarbeiter_innengeld für die sozialversicherungspflichtigen, Pakt für Arbeit für die Minijobler_innen, Investitionsprogramme für Umbau von Hygienemaßnahmen, unendlich viele Interviewanfragen und der kalte Sprung in die Digitalisierung.

Wie es mir geht, fragen manche. Gut, antworte ich dann.

Gut deswegen, weil ich zufrieden bin mit all dem was ich fürs SchwuZ in dieser Zeit gemacht habe. Gut deswegen, weil ich dankbar bin ein Team um mich zu haben, auf das ich mich zu 200 Prozent verlassen kann. Optimistisch, weils immer irgendwie weiter geht.

Manchmal sage ich in Interviews über die Schließzeit im SchwuZ: „Hören Sie mal, wir haben die Aids-Krise überlebt, dann werden wir doch auch mit Corona fertig werden.“

Vergleiche zwischen der HIV/Aids-Krise und der aktuellen Pandemie finden sich zahlreich im Netz. Ich will mich aktuell da gar nicht an einen detaillierten Vergleich wagen. Ich weiß nur für mich selbst: die Auswirkungen dieser Pandemie sind noch weit davon entfernt, wie ich in jungen Jahren die Auswirkungen von HIV/Aids erlebt habe.

Und dennoch verlangt mir diese Krise auf einer emotionalen Ebene enorm viel ab. Im SchwuZ-Umfeld arbeiten über 300 freiberuflich Tätige – von Künstler_innen bis zur Technikerin. Sie alle trifft diese Krise hart, weil das was zum Leben bleibt, einfach viel zu wenig ist. Und weil ihnen und allen im SchwuZ das fehlt, was uns antreibt: die Bühne.

Von über 240 Veranstaltungen im Jahr auf 0. Das ist keine Vollbremsung, sondern ein frontaler Crash an eine Mauer. Unser einziger Airbag heißt: Community.

Unserer Community verdanken wir das Überleben. Sie hat das SchwuZ durch die Krise getragen. Gespendet, um die vielen Monate bis zur ersten Hilfe des Bundes für Kulturbetriebe zu überbrücken und ein wenig des großen Lochs zwischen fixen Kosten und bescheidenen Zuschüssen zu stopfen.

Dafür bin ich enorm dankbar. Und auch für die vielen Begegnungen, das Miteinander, das sich-Mut-zu-sprechen in der Club- und Kulturlandschaft Berlins. Empowerment, dass gerade alle brauchen, die im Kultursektor arbeiten.

Kultur ist systemrelevant. Das SchwuZ ist systemrelevant.

Nie zuvor wurde das so deutlich wie in 2020. Der sichere Raum, den wir queeren Menschen aus der ganzen Welt geben, die Bühne die wir queeren Artists bieten, die Freiheit die Menschen in unseren Räumen erfahren dürfen – das alles fehlt.

Viel unserer Care-Arbeit können wir nur sehr bedingt leisten. Die Plattform die wir sozialen Projekten – wie Aidshilfen oder anderen Institutionen die den 1:1-Kontakt mit Menschen suchen – bieten; sie fehlt.

Und trotz all dem, trotz fehlender Öffnungsperspektive, trotz schwierigster Zeiten: wir behalten unsere Hoffnung. Wir machen weiter. So gut wir können – im digitalen Raum und manchmal sogar wieder ganz wie in alten Zeiten: mit Menschen im SchwuZ.

Am kommenden Samstag erhält das SchwuZ die Auszeichnung zum Tag der Clubkultur.

Wir freuen uns riesig & tanken daraus auch weitere Energie für die gerade schwierigen Zeiten. Erst im letzten Jahr gewann das SchwuZ den Ehrenpreis des LISTEN TO BERLIN Awards der Musik- und Kreativbranche.

Erneut werden wir für unsere Vielfalt im Programm und unser jahrzentelanges Engagement in der Clubkultur Berlins gewürdigt – ein Verdienst von rund 100 Menschen in unserem Team und deren unermüdlichem Einsatz für Diversität, neue Wege und Ideen.

Herzlichen Dank all den Menschen, die das möglich machen. ❤️

Für den 3.10. haben wir ein Programm zusammengestellt, das zum einen gestreamt wird, aber in dem zum ersten Mal auch in unserem Streamingstudio rund 40 Menschen (mit Abstand & Hygienplan) wieder live teilnehmen können.Die Karten kosten 15 Euro pro Person. Es sind Tickets ab zwei Personen (also 30 Euro plus VVK) erhältich – Einzelplätze leider nicht, da wir sonst noch weniger Plätze anbieten könnten.Es gibt zwei Zeitslots aus denen man wählen kann. 18 Uhr oder 21 Uhr.

Die Tickets sind hier erhältlich: https://www.eventbrite.de/e/tag-der-clubkultur-tickets-122232451553?fbclid=IwAR206R3NCz6L8p8LesEz8yubVOdDjCweRajeWr0J-OSiUFHASDM2vltv-Qw

Was für ein schönes Zeichen nach 200 Tagen Stillstand. Und vielleicht bleibt mir sogar ein neuer Beitrag anlässlich des 300. Schließtags erspart.

Ich bleibe optimistisch. Bleibt ihr es auch. Euer Flo

Wie ihr das SchwuZ unterstützen könnt:

Obwohl keine Partys und Clubbetrieb möglich ist, können wir das SchwuZ für bestimmte Arten von Veranstaltungen nutzen. Zum Beispiel können bei uns Konferenzen, Tagungen, Vereinssitzungen, digitale Produktpräsentationen, Livestreams, Hybride Veranstaltungsformate und kleine Messen unter Einhaltung der aktuellen Hygienevorschriften tagsüber stattfinden. Wer also einen Raum für diesen Zweck sucht, oder eine Firma kennt, die dazu passt, dann hilft uns jeder Kontakt dazu. So können wir zumindest versuchen, ein bisschen Umsatz zu generieren um vor allem unsere Mitarbeiter_innen zeitweise aus der Kurzarbeit zu holen und ihnen ein besseres Einkommen zu ermöglichen.

Die verschiedenen Möglichkeiten uns mit Spenden zu unterstützen sind:

PayPal: spende@schwuz.de

GoFundMe:
https://www.gofundme.com/f/saveourschwuz

Überweisung:
SchwuZ Kulturveranstaltungs GmbH
IBAN: DE05 1004 0000 0534 5772 02
Verwendungszweck: Spende SchwuZ

AktHIV.de -bundesweite Bündelung der HIV-Selbsthilfestruktur

Der neu gewählte Vorstand von AktHIV.de: Gabriele Trost, Oliver Stein, Dennis Diedrich, Florian Winkler-Ohm, Dirk Bothe

Heute hat sich in Berlin der Verein AktHIV.de gegründet. Er vertritt als Zusammenschluss regionaler HIV-Selbsthilfe-Netzwerke zukünftig auf Bundesebene die Interessen seiner Mitglieder*innen. Im Rahmen der heute stattgefundenen Vorstandswahlen wurde auch ich in den Vorstand gewählt.

Ich bedanke mich herzlich für das Vertrauen und freue mich auf die Zusammenarbeit mit so engagierten Menschen im Vorstand.

Florian Winkler-Ohm, flosithiv.com

„Wir wollen von einem Bittsteller zu einem Partner auf Augenhöhe werden“ sagt Oliver Stein (Münchner Positive), neugewähltes Vorstandsmitglied des Vereins. Zusammen mit seinen Vorstandskolleg*innen Gabriele Trost, (Münchner Positive), Dennis Diedrich (pro plus rlp e.V.), Dirk Bothe (Positive Lounge), Florian Winkler-Ohm (flosithiv.com) möchte er in eine neue Ära der HIV-Selbsthilfe starten.

„Gerade die aktuelle Corona-Zeit hat uns gezeigt, wie wichtig Zusammenhalt in der HIV-Community ist “ sagt Gabriele Trost.

Zur Gründungsveranstaltung im Berliner SchwuZ trafen sich dazu heute zahlreiche Vertreter*innen der regionalen Selbsthilfe-Organisationen aus dem gesamten Bundesgebiet. Bereits in knapp drei Wochen möchte der Verein die Agenda seiner Aktivitäten im Rahmen des AktHIV.de-Treffens in München vorstellen.

Zahlreiche Akteur_innen der HIV-Selbsthilfe trafen sich heute im Berliner SchwuZ zur Gründung von AktHIV.de

SchwuZ erhält Ehrenpreis

Ich freue mich wirklich sehr zusammen mit meinem Mit-Geschäftsführer Marcel Weber gestern für das SchwuZ den Ehrenpeis des Listen To Berlin: Awards 2019 in Empfang genommen zu haben.

Er ist eine besondere Auszeichnung für unser gesamtes Team und allen die sich für und mit dem SchwuZ engagieren – auch im Bereich HIV.

Einfach mal: DANKE.

Im Video seht ihr die Laudation und die Dankensrede von uns:

Mehr Infos zu den anderen Preisträger_innen und zur größten Auszeichnung der Berliner Musik- und Kreativbranche gibts nachfolgend in der offiziellen Pressemitteilung:

Gudrun Gut, Mine, Mona Rübsamen, NOSOYO, Shirley Holmes, Ponte Pilas, die Initiativen Clubtopia und #unteilbar, das Berliner SchwuZ, sowie der Social Media-Hit „Sage Nein“ von Ezé Wendtoin & Just People – Das sind die Preisträger*innen der listen to berlin: Awards 2019. Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie ehrte die Berlin Music Commission (BMC) am Abend des 5. Novembers im Berliner Kesselhaus zum bereits vierten Mal prägende Akteur*innen der Berliner Musik- und Kreativbranche. Herausragendes Engagement für Diversität wurde in insgesamt neun Kategorien ausgezeichnet. Die listen to berlin: Awards markieren den Auftakt der Musikkonferenz MOST WANTED: MUSIC (MW:M), die vom 6. bis 7. November in der Alten Münze Berlin stattfindet.
Die Berliner Musikerin und Labelmacherin Gudrun Gut wurde bei der Preisverleihung der listen to berlin: Awards mit dem Preis für Förderung und Entwicklung der Berliner Musikszene ausgezeichnet. Unangepasst und fernab des Mainstreams prägt Gudrun Gut mit ihrer avantgardistischen Musik die Musikszene über Berlins Grenzen hinaus seit Jahrzehnten. Neben ihrem eigenen Label Monika Enterprise gründete sie den oceanclub, der seit 1997 auf radioeins eine eigene Sendung hat. Zudem ist sie Mitgründerin des internationalen feministischen Netzwerks female:pressure, welches Künstlerinnen aus den Bereichen elektronische Musik und digitale Kunst vereint. „Ich möchte ein Dankeschön aussprechen, an die Trümmerfrauen, die Berlin wiederaufgebaut haben!“, sagte Gudrun Gut zu den 400 geladenen Gästen.
Der Ehrenpreis der listen to berlin: Awards 2019 ging an das SchwuZ, Deutschlands größter queerer Club, als Ort großer Vielfalt und Werteorientierung. Das SchwulenZentrum, das einst in Kreuzberg war und nun seit sechs Jahren in Neukölln beheimatet ist, zählt seit mittlerweile 42 Jahren als Berliner Kulturinstanz. Laudatorin Nina Queer resümierte: „Sowas nenne ich gelebte Humanität!“.
Quelle: LISTEN TO BERLIN
Der in diesem Jahr neu eingeführte Preis für Nachhaltigkeit ging an die Initiative Clubtopia/ Future Party Lab, die von BUND Berlin und dem Verein clubliebe gegründet wurde. Unter dem Motto „Feste feiern und Umwelt schonen“ engagiert sich die Arbeitsgruppe für einen nachhaltigen und klimafreundlichen Wandel der Berliner Clubszene. Olaf Kretschmar, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Berlin Music Commission (BMC), würdigte die Juryentscheidung mit den Worten: „Nachhaltige Veränderungen müssen in unserem alltäglichen Handeln stattfinden, nicht nur im Kopf. Es macht uns stolz zu sehen, wie die Berliner Clubszene hier aus Eigeninitiative heraus mit gutem Beispiel vorangeht.“
Der Rolf Budde Preis für Haltung in der Musikwirtschaft ging in diesem Jahr an die bundesweite #unteilbar Initiative, die sich für eine offene und freie Gesellschaft, gelebte Solidarität und gegen Rassismus, Verarmung und Ausgrenzung einsetzt. In Berlin mobilisierte das Bündnis im August 2018 mehr als 200.000 Menschen – darunter viele Musiker*innen – für eine friedliche Demonstration. „Für mich ganz persönlich ist diese Aktion ganz wichtig in diesem Land. Wann, wenn nicht jetzt?!“, sagte Gerhard Kämpfe in seiner ergreifenden Laudatio über die Initiative und erhielt dafür tosenden Applaus. Der Kulturmanager war ein langjähriger Freund Rolf Buddes.
In der Kategorie Preis für die kreativste Kampagne setzte auch die Jury ein Zeichen gegen Diskriminierung und Rassismus: Ezé Wendtoin wurde zusammen mit dem Filmemacher Christian Suhr von Just People für seine Social-Media-Hymne, die Neuinterpretation des Konstantin Wecker-Songs „Sage Nein“, ausgezeichnet. In seiner Dankesrede sagte der Preisträger: „In einer Zeit wie dieser, müssen wir lernen miteinander zu stehen und nicht gegeneinander zu kämpfen!“. Die Auszeichnung Innovationspreis Musikvideo ging an die Künstlerin Mine für ihr Video zu „90 Grad”. Markus Kavka schenkte der überraschten Preisträgerin eine sehr persönliche Laudatio.
Der diesjährige Preis für Musikjournalismus ging an FluxFM-Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin Mona Rübsamen, die das Programm und die strategische Ausrichtung des Sendernetzwerks verantwortet und damit einen maßgeblichen Beitrag zur Entwicklung der Berliner Musikszene und der internationalen Strahlkraft von Berlin als Musikstadt leistet. „Das ist ein Preis für die Geschichtenerzähler – und das tun wir bei FluxFM jeden Tag und wir bieten Musiker*innen eine Plattform ihre Geschichten zu erzählen. Bei 3.000 Events und 1 Mio. Musikstreams pro Tag braucht es Kuration und Kontext. Denn, wer tanzt denn schon gerne im Algorithmus?“, so Mona Rübsamen.

Zu den Highlights des Abends gehörten die Liveauftritte von Ariana Zustra mit ihrem Dark Dream Pop-Soloprojekt ZUSTRA, des Berliner Polyphonic-Pop Duos OKO sowie die Performance von Junk-E-cat mit seinem Mix aus Finger Drumming, Live Looping und Saxophon-Einlagen. Alle drei Showacts sowie weitere 15 Künstler*innen sind auf der diesjährigen, bereits 12. Ausgabe der listen to berlin 2019/20 Compilation vertreten. Sie bildet zudem die Grundlage für die beiden Künstler*innen-Preise der listen to berlin: Awards. Mit NOSOYO und Shirley Holmes prämierte die Jury in diesem Jahr zwei Bands für ihre besondere künstlerische Leistung mit dem listen to berlin: Jurypreis. Das Publikum entschied sich in der Kategorie listen to berlin: Publikumspreis für die Berliner Newcomer-Band Ponte Pilas. Auch das Moderator*innen-Duo, bestehend aus der Berliner Sängerin Malonda und dem Fritz-Unsigned- Moderator Christoph Schrag, sorgte für einen kurzweiligen und unterhaltsamen Abend.
Die Schirmherrschaft des Musikpreises hatte der Kultursenator und Bürgermeister der Stadt Berlin Dr. Klaus Lederer inne, der sich mit einer Video-Grußbotschaft an das Publikum richtete: „Der Preis ist ein nichtkommerzieller Preis, der nicht auf Verkaufszahlen basiert. Es geht hier darum, gute künstlerische Leistung zu erbringen, sich einzubringen, zu engagieren. Der Rolf Budde Preis für Haltung oder der Preis für Nachhaltigkeit sind ein deutliches Zeichen, dass sich diejenigen, die diesen Preis ins Leben gerufen haben auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind,“ so Dr. Klaus Lederer.

Die listen to berlin: Awards werden präsentiert von der Berliner Sparkasse und sind eine Veranstaltung der Berlin Music Commission im Auftrag des Landes Berlin. Sie werden unterstützt von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, durchgeführt im Rahmen der Berliner Landesinitiative “Projekt Zukunft” und mit Mitteln aus den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

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Dankbar 40. Kein Grund zur Midlife-Crises.

Flo40

Langsam lässt der vom Wasserdampf des durch viel zu heißen Duschens entstandene Schleier über meinem Badspiegel die ersten Züge meines frischgebackenen 40jährigen Gesichts erkennen. Wird der sich mit bietende Blick meines vertrauten Gegenübers erste Zeichen der neuen Dekate aufweisen? Ich kann nicht warten und wische mit einem Handtuch den Spiegel trocken.

Nichts! Keine Spuren zu erkennen – alle Falten waren gestern schon da. Keine dramatischen Veränderungen in der durch zu häufiges Lachen ohnehin schon strapazierten Augenregion. Erleichterung.

Gestern bin ich 40 Jahre geworden. Damit eröffnen sich drei neue Möglichkeiten in meinem Leben: Ich bin wählbar zum Richter am Bundesverfassungsgericht, kann zum Bundespräsidenten oder zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt werden – was ungefähr aufs Gleiche rauskommt, zumindest in der Wahrnehmung der bisherigen bayerischen Amtsträger.

Nach kurzer Überlegung scheidet die Arbeit am Bundesverfassungsgericht für mich aus. Wer möchte schon für einen Gleichstellungsgegner und CDU-Bundestagsabgeordneten arbeiten?

Zwar soll nun doch nicht der LGBTI-feindliche CDU-Politiker Günter Krings, zurzeit parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium von Horst Seehofer, Bundesverfassungsrichter werden. Das ist die gute Nachricht. Doch auch der designierte Ersatzmann, der CDU-Bundestagsabgeordnete Stephan Harbarth, ist ein erklärter Gegner einer Gleichstellung von Lesben und Schwulen, wenn auch gemäßigter im Ton.                                                          Quelle: Queer.de

Mit dem bayerischen Ministerpräsidentenposten wird es nach dem Wegzug in die Bundeshauptstadt vor sieben Jahren und vorausgeganger jahrerlanger kritischer journalistischer Hinterfragung der Regionalpolitik auch schwierig. Als kritischer Journalist hat man in Bayern durchaus Freund_innen bei der SPD und den Grünen. Wenn der Freistaat also in den nächsten Jahren doch noch weiter den für die CSU so schmerzhaften Weg der Öffnung zu einem Mehrparteienstaat bestreitet überlege ich mir das Vorhaben gern nochmal. Vor 60 nimmt dich in der bayerischen Politik eh keiner ernst.

Was bleibt ist die Erkenntnis das ich bereits den für mich schönsten Job der Welt habe. Wen wir im SchwuZ also tagtäglich daran arbeiten ein bunter, freier, vielfältiger Ort zu sein, wenn wir ringen um gemeinsame Fortschritte und queere Lebenswelten als selbstverständlichen Teil unserer Gesellschaft jeden Tag aufs neue unter Beweis stellen, dann sind wir damit den meisten Politiker_innen um Lichtjahre voraus.

„Hat eine „Null“ Bedeutung?“ fragte mich gestern Thomas Schützenberger auf Facebook und antwortete gleich selbst:

Ich denke ja und glaube, wenn man die Zeit Revue passieren lässt und sich fragt, ob man mit 20, 30 oder 40 im Leben glücklicher war, die realistische Antwort zumindest nicht eindeutig ist. Ich behaupte ganz frech: Willkommen in der besten Zeit deines Lebens! Herzlichen Glückwunsch! (…) Mit 40 hat man mehr „standing“, hat seinen Platz im Leben, ist sich seiner bewusst und sicherer – und hat genug Energie, Kraft und Flexibilität, um etwas zu verändern. Schau auf dein Leben zurück und schau dir die Gegenwart an: Wir sitzen weltweit betrachtet auf der „Insel der Glückseligen“ und du hast dazu persönlich und privat noch allen Grund glücklich zu sein – und dies hast du auch dir selbst zu verdanken. Also: Mundwinkel zu den Öhrchen, Zähnchen zeigen, lächeln. Das Leben liebt dich.

Quelle: Thomas Schützenberger

Und er hat sowas von recht. Es ist die bisher beste Zeit meines Lebens, von der ich einst nicht gedacht habe sie zu erreichen. Als ich in frühen Jahren HIV-positiv getestet wurde war mir nicht klar, dass ich diesen Geburtstag mal feiern werde. Die Zeit damals war geprägt vom „alten“ HIV, die Selbsthilfegruppe voll von Menschen die in ihrem Leben auf mehr Beerdigungen als Geburtstagen oder Hochzeiten waren. Aber ich habe in diesen Anfangsjahren und durch wunderbare engagierte Menschen auch gelernt wie wichtig eine Community ist, wie sehr jede einzelne Person einen  Anteil leisten kann das es anderen Menschen ein Stückchen besser geht, welche Kraft eine Ehrenamt haben kann.

Ich bin dankbar für all diese Erfahrungen, dafür dass mein journalistischer Sturkopf im Kampf gegen die Stigmatisierung von Menschen mit HIV und für die Rechte von drogengebrauchenden Menschen bis heute all den Anfeindungen, Kritiken und Vorwürfen standgehalten hat. Das der Einsatz für Menschen die kaum eine Lobby haben mehr Kritik, Häme und Vorwürfe bringt als Lob und dennoch ein einzelnes Gespräch und ein Dankeschön bei einem Einsatz für die Community dich für all das entschädigt.

Und ja, es waren Zeiten dabei in denen ich mich selbst an den Abgrund und in manchen Situationen gar einen Schritt weiter manövriert habe. Es gaben Phasen des Konsums da war der Tod näher als das Leben: Kontrollverluste gehören zu einem 40jährigen Leben genauso dazu wie die schönen Erlebnisse aus all der Zeit. Schlussenlich ist man die Summe all dieser Erfahrungen. Ich versuche heute so gut es geht anderen Menschen in ähnlichen Situationen zu helfen oder sie gar davor zu bewahren. Ohne all diesen Erfahrungsschatz wäre mein Engagement wahrscheinlich nur halb so gut.

Ich habe das große Glück mit Tom einen Partner an meiner Seite zu haben, der immer für mich da war und mit dem ich so manche Herausforderung gemeinsam angehen konnte – was für ein wunderbarer Mensch.

Grund genug also dem Spiegelbild zurück zu lächeln und es auch die nächsten 40 Jahre weiter zu rasieren. Das Leben ist gut zu mir.

Herzlichen Dank allen die mir gestern gratuliert haben, mich in den 40 Jahren begleitet, unterstützt, motiviert und kritisiert haben. Die 40 fühlt sich gut an.

Die Midlife-Crises muss noch etwas warten. Das Erwachsenwerden auch.

 

 

 

SchwuZ: we love to entertain you.

Du kennst alle Pro 7-Reportagen über Schwertransporte, die gefährlichsten Jobs der Welt oder die schönsten Baumhaus-Hotels? Dann hätte ich heute etwas wirklich neues für dich. 😉

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Der TV-Sender war kürzlich zu Gast an meinem Arbeitsplatz – dem Berliner queeren Club SchwuZ. Entstanden ist eine nette Kurzreportage über die wichtige Präventionsarbeit die wir als Club zusammen mit unserem Team und wichtigen Partner_innen wie der Deutschen AIDS-Hilfe leisten.

In Deutschland leben aktuell rund 90.000 Menschen mit HIV. Davon wissen rund 13.000 nicht, dass sie infiziert sind.

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„Die Leute sind immer noch überrascht davon, dass man HIV nicht weitergeben kann wenn man gut therapiert ist. Das ist wirklich erstaunlich, denn dieser Effekt ist seit mindestens zehn Jahren gut belegt, wissenschaftlich sehr gut abgesichtet. Aber die allerwenigsten Menschen kennen diese super gute Nachricht. HIV ist nicht mehr übertragbar – wie geil ist das denn, könnte man sagen“ erzählt Holger Wicht, Pressespreche des Deutschen AIDS-Hilfe e.V.

Hier könnt ihr euch die Reportage ansehen:

Es freut mich, wenn ihr meinem Blog folgt mit mir diskutiert und durch euer Teilen in die sozialen Medien mithelt, diese Botschaft in die Welt zu tragen. Danke dafür.

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Mehr Informationen zum Berliner Club SchwuZ findest du hier: www.SchwuZ.de