Ein Club ist ein Club ist Intimität ist eine Utopie ist Solidarität ist ein Safer Space ist Alltagsflucht ist eine Vision ist Awareness ist ein Zuhause ist Hedonismus ist ein Mikrokosmos ist Ekstase ist eine Chance.
Seit 200 Tagen ist das alles weg. Wer auf http://www.schwuz.de geht sieht einen Zähler, der seit über sechs Monaten unwillkürlich tickt. Ein Ende ist vorerst nicht in Sicht.

Diesen Blog nutze ich, um über mein Leben mit HIV zu schreiben. Mein Beruf als Geschäftsführer des größten und ältesten queeren Clubs in Deutschland – dem SchwuZ – spielt dabei meistens keine Rolle. Aber zum ganzen Bild gehört auch dieser unweigerlich dazu. Die letzten Monate zehrten an meiner Kraft und auch an der des Teams um mich herum.
Obwohl wir seit dem 13. März nicht mehr öffnen durften, arbeitete ich mehr als je zuvor. Anträge für Überbrückungshilfen, KfW-Kredit, Verhandlungen mit den Vermietern, Kurzarbeiter_innengeld für die sozialversicherungspflichtigen, Pakt für Arbeit für die Minijobler_innen, Investitionsprogramme für Umbau von Hygienemaßnahmen, unendlich viele Interviewanfragen und der kalte Sprung in die Digitalisierung.
Wie es mir geht, fragen manche. Gut, antworte ich dann.
Gut deswegen, weil ich zufrieden bin mit all dem was ich fürs SchwuZ in dieser Zeit gemacht habe. Gut deswegen, weil ich dankbar bin ein Team um mich zu haben, auf das ich mich zu 200 Prozent verlassen kann. Optimistisch, weils immer irgendwie weiter geht.
Manchmal sage ich in Interviews über die Schließzeit im SchwuZ: „Hören Sie mal, wir haben die Aids-Krise überlebt, dann werden wir doch auch mit Corona fertig werden.“
Vergleiche zwischen der HIV/Aids-Krise und der aktuellen Pandemie finden sich zahlreich im Netz. Ich will mich aktuell da gar nicht an einen detaillierten Vergleich wagen. Ich weiß nur für mich selbst: die Auswirkungen dieser Pandemie sind noch weit davon entfernt, wie ich in jungen Jahren die Auswirkungen von HIV/Aids erlebt habe.
Und dennoch verlangt mir diese Krise auf einer emotionalen Ebene enorm viel ab. Im SchwuZ-Umfeld arbeiten über 300 freiberuflich Tätige – von Künstler_innen bis zur Technikerin. Sie alle trifft diese Krise hart, weil das was zum Leben bleibt, einfach viel zu wenig ist. Und weil ihnen und allen im SchwuZ das fehlt, was uns antreibt: die Bühne.
Von über 240 Veranstaltungen im Jahr auf 0. Das ist keine Vollbremsung, sondern ein frontaler Crash an eine Mauer. Unser einziger Airbag heißt: Community.
Unserer Community verdanken wir das Überleben. Sie hat das SchwuZ durch die Krise getragen. Gespendet, um die vielen Monate bis zur ersten Hilfe des Bundes für Kulturbetriebe zu überbrücken und ein wenig des großen Lochs zwischen fixen Kosten und bescheidenen Zuschüssen zu stopfen.
Dafür bin ich enorm dankbar. Und auch für die vielen Begegnungen, das Miteinander, das sich-Mut-zu-sprechen in der Club- und Kulturlandschaft Berlins. Empowerment, dass gerade alle brauchen, die im Kultursektor arbeiten.
Kultur ist systemrelevant. Das SchwuZ ist systemrelevant.
Nie zuvor wurde das so deutlich wie in 2020. Der sichere Raum, den wir queeren Menschen aus der ganzen Welt geben, die Bühne die wir queeren Artists bieten, die Freiheit die Menschen in unseren Räumen erfahren dürfen – das alles fehlt.
Viel unserer Care-Arbeit können wir nur sehr bedingt leisten. Die Plattform die wir sozialen Projekten – wie Aidshilfen oder anderen Institutionen die den 1:1-Kontakt mit Menschen suchen – bieten; sie fehlt.
Und trotz all dem, trotz fehlender Öffnungsperspektive, trotz schwierigster Zeiten: wir behalten unsere Hoffnung. Wir machen weiter. So gut wir können – im digitalen Raum und manchmal sogar wieder ganz wie in alten Zeiten: mit Menschen im SchwuZ.
Am kommenden Samstag erhält das SchwuZ die Auszeichnung zum Tag der Clubkultur.
Wir freuen uns riesig & tanken daraus auch weitere Energie für die gerade schwierigen Zeiten. Erst im letzten Jahr gewann das SchwuZ den Ehrenpreis des LISTEN TO BERLIN Awards der Musik- und Kreativbranche.
Erneut werden wir für unsere Vielfalt im Programm und unser jahrzentelanges Engagement in der Clubkultur Berlins gewürdigt – ein Verdienst von rund 100 Menschen in unserem Team und deren unermüdlichem Einsatz für Diversität, neue Wege und Ideen.
Herzlichen Dank all den Menschen, die das möglich machen.
Für den 3.10. haben wir ein Programm zusammengestellt, das zum einen gestreamt wird, aber in dem zum ersten Mal auch in unserem Streamingstudio rund 40 Menschen (mit Abstand & Hygienplan) wieder live teilnehmen können.Die Karten kosten 15 Euro pro Person. Es sind Tickets ab zwei Personen (also 30 Euro plus VVK) erhältich – Einzelplätze leider nicht, da wir sonst noch weniger Plätze anbieten könnten.Es gibt zwei Zeitslots aus denen man wählen kann. 18 Uhr oder 21 Uhr.
Die Tickets sind hier erhältlich: https://www.eventbrite.de/e/tag-der-clubkultur-tickets-122232451553?fbclid=IwAR206R3NCz6L8p8LesEz8yubVOdDjCweRajeWr0J-OSiUFHASDM2vltv-Qw
Was für ein schönes Zeichen nach 200 Tagen Stillstand. Und vielleicht bleibt mir sogar ein neuer Beitrag anlässlich des 300. Schließtags erspart.
Ich bleibe optimistisch. Bleibt ihr es auch. Euer Flo

Wie ihr das SchwuZ unterstützen könnt:
Obwohl keine Partys und Clubbetrieb möglich ist, können wir das SchwuZ für bestimmte Arten von Veranstaltungen nutzen. Zum Beispiel können bei uns Konferenzen, Tagungen, Vereinssitzungen, digitale Produktpräsentationen, Livestreams, Hybride Veranstaltungsformate und kleine Messen unter Einhaltung der aktuellen Hygienevorschriften tagsüber stattfinden. Wer also einen Raum für diesen Zweck sucht, oder eine Firma kennt, die dazu passt, dann hilft uns jeder Kontakt dazu. So können wir zumindest versuchen, ein bisschen Umsatz zu generieren um vor allem unsere Mitarbeiter_innen zeitweise aus der Kurzarbeit zu holen und ihnen ein besseres Einkommen zu ermöglichen.
Die verschiedenen Möglichkeiten uns mit Spenden zu unterstützen sind:
PayPal: spende@schwuz.de
GoFundMe:
https://www.gofundme.com/f/saveourschwuz
Überweisung:
SchwuZ Kulturveranstaltungs GmbH
IBAN: DE05 1004 0000 0534 5772 02
Verwendungszweck: Spende SchwuZ