Das Waldschlösschen baut neu

Ein Interview mit Geschäftsführer Kevin Rosenberger.

Kevin Rosenberger im Gespräch mit Flo

Das Waldschlösschen liegt 13 Kilometer südöstlich der Universitätsstadt Göttingen mitten in einer waldreichen Mittelgebirgslandschaft. Die architektonisch reizvollen Gebäude, umgeben von Gärten und Terrassen, und die schöne Umgebung bieten gute Voraussetzungen sowohl für konzentriertes Arbeiten und Lernen als auch zum Kraftschöpfen und Erholen.

Ursprünglich als Tagungs- und Begegnugnshaus für HIV-positive Menschen genutzt, die in den 80er-Jahren ofmals keine anderen Räumlichkeiten zur Nutzung erhielten, ist die Akademie Waldschlösschen heute ein wertvoller Ort für queere Bildung mit einem umfangreichen Seminarprogramm.

Im Interview erzählt Geschäftsführer Kevin Rosenberger über die Pläne eines Neubaus auf dem Gelände, das Vorhaben weitere behindertengerechte Zimmer zu bauen und über die Planungen zum großen Stiftungsfest im kommenden Jahr.

Zum Starten des Videos klicken.

Sein besonderes Profil erhält das Veranstaltungsangebot der Akademie durch Angebote für Schwule und Lesben, Trans*-, bi- und intersexuelle Menschen und ihre Lebenspartner_innen und Familien, für HIV-positive und an AIDS erkrankte Menschen und ihre Lebenspartner_innen, Fortbildungsveranstaltungen zu AIDS und sexualpädagogischen Themen sowie Seminare für Menschen mit geistiger Behinderung.

„Wir sind ein Ort der Begegnung, der sich der Humanisierung der Gesellschaft verpflichtet fühlt“: Dieser Kernsatz aus dem Leitbild der Akademie kennzeichnet das Selbstverständnis ihrer Bildungsarbeit: sie wird getragen von der Überzeugung, dass alle Menschen gleichberechtigt sind, der Solidarität mit Benachteiligten, der Akzeptanz verschiedener Lebensstile und Sexualitäten, der Neugier auf das „Fremde als Bereicherung“.

Das Waldschlösschen besteht aus einem denkmalgeschützten, komfortabel und ökologisch behutsam sanierten Altbau von 1904, dem 1991 nach baubiologischen Gesichtspunkten entstandenen »Waldhaus« und dem »Gartenhaus« von 2008.

Kevin Rosenberger

Die räumlichen Gegebenheiten der Häuser bieten viele Möglichkeiten. Den Seminargruppen stehen zehn Seminar- und Aufenthaltsräume zur Verfügung. Als Mittelpunkt und »soziales Zentrum« dient der Große Saal. Die Räume sind mit modernen Medien und Arbeitsmaterialien ausgestattet – vier davon auch mit Klavieren. Die meisten Seminarräume liegen ebenerdig mit Zugang zu Gärten und eigenen Terrassen, sodass im Sommer das Arbeiten im Freien möglich ist.

Jetzt kommt mit dem Berghaus eine Erweiterung des Zimmerangebots hinzu. Die Bauarbeiten haben bereits begonnen. Fertig soll das neue Haus bereits im September 2023 sein.

Wer die wertvolle Arbeit der Stiftung Akademie Waldschlösschen unterstützen möchte, kann spenden an:

Förderverein Stiftung Akademie Waldschlösschen e.V.,
IBAN: DE44 2605 0001 0023 0014 80
BIC: NOLADE21GOE

Alle Infos zur Fördermitgliedschaft und weitere Inhalte zum Schlösschen findet ihr hier:

https://www.waldschloesschen.org/de/stiftung.html

Wenn euch mein Blog gefällt freue ich mich sehr, wenn ihr mir folgt und durch Teilen dieses Beitrags etwas mithelft, damit auch andere Menschen hier auf flosithiv.com finden. #sharingiscaring ❤

Flo

Rebecca: „Ich muss dir was sagen.“

Rebecca unterstützt die Kampagne wissen-verdoppeln.hiv

Kurz bevor Rebecca Jackson Sex mit ihrem Freund haben will, sagt er ihr: „Ich bin HIV-positiv.“ Die Nachricht ist für sie zunächst ein Schock. Doch seit diesem Moment setzt sich Rebecca dafür ein, dass immer mehr Menschen wissen: „Schutz durch Therapie funktioniert.“

2018 schrieb Rebecca unter dem Titel „Fucking with HIV“ einen Gastbeitrag für magazin.hiv. Ein Auszug:

Ich muss dir was sagen. Das sind nicht die Worte, die ich hören will. Eigentlich überhaupt nicht und schon gar nicht jetzt, wo ich nackt und geil bin, und nicht aus dem Mund, den ich gerade geküsst habe. Ich bin HIV-positiv. Und in meinem Kopf dreht sich „Sterben-Kinder-in-Afrika-Tom-Hanks-Haarausfall-Sterben-superabgemagert“.

Das war vor über einem Jahr. Mein Partner, den ich damals einfach weiter küsste, und ich haben seitdem so manche komplizierte Situation durchlebt, sowohl emotional als auch körperlich. Von diesen Erfahrungen möchte ich hier erzählen, denn ich hoffe, dass ich damit die Leute aufklären und etwas gegen das Stigma tun kann, das es rund um HIV immer noch gibt.

„Ich bin HIV-positiv.“

„Äh. Pfff. Okay. Puh. Also, äh, okay, darüber muss ich erst mal nachdenken, bevor wir Sex haben.“

Kein „Danke, dass du mir das erzählst!“, kein „Okay, und wie kommst du damit klar?“, kein „Tut mir leid. Aber ich habe gehört, dass das kein Riesenproblem ist. Nimmst du antiretrovirale Medikamente, sodass deine Viruslast unter der Nachweisgrenze ist und HIV nicht übertragen werden kann?“.

„Äh. Pfff. Okay. Puh. Also, äh, okay, darüber muss ich erst mal nachdenken, bevor wir Sex haben.“

Stattdessen fühlt er sich zurückgewiesen. Ausgegrenzt. Und ich habe Angst und Vorurteile und bin sogar enttäuscht. Enttäuscht, dass ich jetzt keinen Sex mehr mit diesem superheißen Typen haben kann, denn wenn ich Sex mit ihm habe, werde ich krank. Oder nicht?

Wer den gesamten Gastbeitrag von Rebecca lesen will, findet diesen hier: https://magazin.hiv/2018/05/10/fucking-with-hiv/

Rebecca schreibt nicht nur, sondern setzt sich auch sonst dafür ein, dass die Botschaft „Schutz durch Therapie wirkt“ verbreitet wird. Sie unterstützt die aktuelle Kampagne http://www.wissen-verdoppeln.hiv

Zum Kampagnenstart traf ich Rebecca für ein kurzes Interview in Berlin:

Unter http://www.wissen-verdoppeln.hiv findet ihr auch andere spannende Botschafter_innen mit ihren Geschichten. Ferner könnt ihr dort eure eigene Geschichte erzählen. Unterstützt die Kampagne!

https://wissen-verdoppeln.hiv

flosithiv.com erhält Medienpreis HIV/AIDS

Medienpreis HIV/AIDS für flosithiv.com

Im Rahmen des derzeit in Hamburg stattfindenden Deutsch-Österreichischen-AIDS-Kongresses erhielt ich gestern Abend den Medienpreis HIV/AIDS für diesen Blog.

Ich bedanke mich ganz herzlich und freue mich rießig über die Wertschätzung. Der Medienpreis HIV/AIDS wird alle zwei Jahre von der Deutschen AIDS-Stifung vergeben.

Sachliche und kompetente Medienarbeit, die an den Menschen orientiert ist, zeichnet die Stiftung schon seit 30 Jahren aus: Der Medienpreis HIV/AIDS gehört zur Stiftung seit ihrer Geburtsstunde im Jahr 1987.

Ein großes Anliegen der Stiftung ist es, junge Menschen zum Nachdenken über „HIV heute“ anzuregen. Deshalb belohnt sie besonders engagierte und inhaltlich herausragende Arbeit zum Thema mit einem eigenen Preis, dem JUGEND Medienpreis HIV/AIDS.

Der Medienpreis und der JUGEND Medienpreis werden im Zwei-Jahres-Rhythmus ausgeschrieben und umfassen jeweils zwei Kalenderjahre. Eine unabhängige Jury aus Medizinern, Journalisten und AIDS-Experten entscheidet über die Preisvergabe.

Die Stiftung zeichnete gestern insgesamt vier Beiträge mit dem Medienpreis HIV/Aids 2017/2018 aus.. Den Preis erhielten neben mir:

– Birgit Wittstock für ihre Langzeitrecherche, die in zwei Teilen in der Wiener Wochenzeitung Falter erschien: „Philipp, 35, positiv“ (Falter 17/18) und „Philipp, A. und ich“ (Falter 22/18)
– Martin Reichert für seine Publikation „Die Kapsel. AIDS in der Bundesrepublik“,  Suhrkamp Verlag Berlin 2018

Der JUGEND-Medienpreis HIV/AIDS wurde vergeben für das Theaterstück „Under Control“.

Die wunderbare Laudatio für flosithiv.com mit der Begründung der Jury hielt gestern die bezaubernde TV-Moderatorin und Schauspielerin Jessica Stockmann:

Einige von Ihnen, liebe Gäste, dürften unseren nächsten Preisträger bereits kennen.

Er ist das Gesicht einer Kampagne – ICH WEISS WAS ICH TU.  Aber nicht nur: Man begegnet ihm auch auf Konferenzen wie dieser, bei Positiventreffen, und dort wo Menschen zusammenkommen die sich über HIV austauschen.

Florian Winkler-Ohm –  Journalist und HIV- und Drogenaktivist – ist viel unterwegs. Auch um so schreibt er in seiner Bewerbung die Community und am Thema interessierte Menschen an den Infos von großen Konferenzen teilhaben zu lassen. Locker und in verständlicher Sprache.

Dazu betreibt Florian Winkler-Ohm den Blog flosithiv.com

Die Jury zeichnet diesen Blog heute mit dem Medienpreis HIV/AIDS aus.

In der Begründung der Jury heißt es: Florian Winkler-Ohm berichtet in seinem Blog flosithiv.com seit Jahren über alle relevanten Themen und über Veranstaltungen der HIV-Szene. Er reist zu den wichtigsten Kongressen,  wie der Welt-Aids-Konferenz, dem DÖAK und den Positiven Begegnungen um darüber zu berichten.

FWO führt Infos vor der Kamera mit Fachleuten genauso wie Aktivsten und Aktivistinnen immer auf sehr neugierige Art. Er nimmt Podcast auf und er schreibt vielfältig in der Aufbereitung und den Themen.

Dabei sind seine Beiträge lebendig und sie sind kurzweilig.

Florian Winkler-Ohm zeigt aktuelle Fakten und was Menschen mit HIV und die von HIV am stärksten betroffenen Gruppen gerade bewegt. Damit wurde er zum Sprachrohr für viele Menschen mit HIV und für ihre Themen, wie Schutz durch Therapie, PreP, Chemsex oder Diskriminierung im Gesundheitswesen.

Sein Blog ist aktuell, kritisch und engagiert. Ohne zu verharmlosen, einseitig zu sein oder zu dramatisieren. Mit seinem Blog leistet Florian Winkler-Ohm deshalb einen wichtigen Beitrag zur Entstigmatisierung von HIV und zum Abbau von Diskriminierung.

Lieber Florian Winkler-Ohm: wir gratulieren Ihnen herzlich zum Medienpreis HIV/AIDS.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei der Deutschen AIDS-Stiftung, bei der Deutschen Aidshilfe, bei allen Freund_innen der HIV-Selbsthilfe und allen Protagonist_innen der Videos und Interviewpartner_innen:

Ohne euch wäre dieser Blog ziemlich leer. Danke für eure Arbeit.

So positiv sieht Selbshilfe aus. #PoBe2018

Herzlichen Dank allen Mitwirkenden für eure Statements, für die gemeinsame Arbeit an noch mehr Sichtbarkeit für Menschen mit HIV/Aids und den Abbau von Stigmatisierung und Diskriminierung. Ihr seid spitze!

Bis in zwei Jahren auf der nächsten PoBe oder irgendwann zuvor auf einer positiven Begegnung. Und jetzt anschauen – das war die bunte Welt der PoBe 2018:

Herzlichen Dank an meinen Schatz Thomas für Kamera & Schnitt. Knutscher!

Ich freue mich sehr, wenn ihr meinem Blog folgt – unten rechts auf FOLGEN klicken.

Ihr habt spannende Themen im Bereich HIV? Her damit.

PoBe 2018: Was bleibt, ist Stärke.

Das waren sie also – die Positiven Begegnungen 2018 in Stuttgart. Europas größte Selbsthilfekonferenz hat in den vergangenen vier Tagen viel erreicht. Hunderte Menschen mit HIV debattierten, organisierten und feierten gemeinsam das was uns verbindet: den HIV-Status.

Während man an den Gesichtern der überraschten Stuttgarter Bevölkerung während der Demo immer noch ablesen konnte, in welchen Denkmustern die Allgemeinbevölkerung beim Thema HIV steckt, schaffte diese Konferenz bei den Teilnehmer_innen selbst vor allem eins: Empowerment.

Diese Stärkung des Miteinanders ist der Motor der Selbshilfestruktur. Alle zwei Jahre wird dieser überholt, geölt und neu zusammengesetzt – Menschen lernen sich kennen, die sonst nie etwas miteinander zu tun hätten und die der HIV-Status vereint: Frauen, People of color, Geflüchtete, Menschen mit Behinderung, Trans*- und Inter*-Menschen und eine ganze Menge Heteros – sie alle vereinen sich mit der großen Masse an schwulen Männern, und geben ein Stück weit Einblick in ihre Lebenswelt.

Das ist großartig und viel zu selten: Denn während vielfach die Community mit internen Spaltungen und gegenseitiger Ausgrenzung zu tun hat, zeigt die PoBe auch im 20. Jubiläumsjahr zu welcher gemeinsamen Power die Menschen fähig sind.

Dieser Zusammenhalt wird in Zeiten politischer Veränderungen mehr und mehr notwendig. Nur wenn es uns als HIV-Community gelingt, gemeinsam unsere Forderungen zu vertreten, entziehen wir Rechtspopulisten den Nährboden ihrer Argumentation.

Die Tage in Stuttgart beweisen: Es macht mehr Sinn, nach den auf der Hand liegenden Gemeinsamkeiten zu suchen, statt nach dem was uns vermeintlich trennt.

Die Community der HIV-positiven Menschen hat viel gemeinsam durchgestanden. Fast alle von uns haben geliebte Menschen, Freund_innen und Wegbegleiter_innen in den schlimmen Zeiten der 80er und auch noch Anfang der 90er Jahre verloren. Alle zwei Jahre wieder gedenken wir im Rahmen der PoBe an die Wegbegleiter_innen, die in den letzten zwei Jahren – zum Teil an den Spätfolgen ihrer Krankheitsgeschichte – nicht mehr bei uns sein können.

Inzwischen treffen wir uns glücklicherweise mehr auf Veranstaltungen wie dieser statt auf Beerdigungen – wir feiern das Leben und fordern die Rechte, die uns zustehen. Wir arbeiten an Themen und Konzepten mit welchen wir dem politischen Rechtsruck entgegentreten können, sprechen über die Herausforderungen die uns bei Ärzten, in unseren Familien und bei unseren Kindern in Zusammenhang mit HIV noch fordern und immer wieder über die großen Botschaften wie „Nicht nachweisbar = Nicht infektiös“.

Es wird noch eine Weile dauern, bis die Schreckensbilder der 80er Jahre dem Wissen von Übertragungswegen in der Allgemeinbevölkerung gewichen sind. Aber wir sind auf dem Weg dorthin schon ganz schön weit gekommen. Durch die Unterstützung von staatlicher Seite und Organisationen wie der Deutschen Aids-Hilfe und ihren Mitgliedsorganisationen aber allen voran durch das Engagement der vielen Menschen in der Selbsthilfe und im Ehrenamt.

Sie sind die Held_innen dieser Konferenz, egal mit welchem Einsatz sie sich beteiligt haben: ob an der Bar, beim Spendensammeln für die Konferenz, bei der Mithilfe in Workshops oder als Multiplikator_innen in ihrem Feld. Es ist immer noch nicht selbstverständlich, offen über seine HIV-Infektion zu sprechen. Nicht weil wir Scham empfinden, sondern weil die Gesellschaft uns beschämt.

Und wir sollten genau aufpassen, dass uns diese Stärke der Community nicht genommen wird: Weder von rechten Parteien noch von irgendeiner sonstigen vermeintlichen Macht. Mit viel Power und aufgeladenem Lebens-Akku treten die meisten von uns heute wieder die Heimreise an.

Morgen beginnt dann wieder der Alltag mit HIV – egal ob in der Arbeit, in der Schule, der Universität oder im Ruhestand. Die Medien werden erst wieder kurz vor dem Welt-Aids-Tag auf das Thema aufspringen – für uns Aktivist_innen ist das nicht genug. Wir kämpfen an jedem Tag für unsere Anliegen, für eine Veränderung in den Köpfen und für das erklärte Ziel: Null Diskriminierung. Das dies noch immer notwendig und längst nicht Realität ist, machten auch die vergangenen vier Tage deutlich: Letzter Termin beim Zahnarzt, offener Vermerk auf der Krankenakte, Kündigung durch Arbeitgeber_in, keine Einstellung im Polizeidienst.

Es sind die einzelnen Geschichten und Erfahrungen von Teilnehmer_innen, die dieser Konferenz den Treibstoff liefert, die sie braucht. Und es sind die Menschen selbst, die offen und geschützt in diesem Rahmen auf Andere treffen, die ihnen zuhören, verstehen und mitunter auch helfen.

Die HIV-Community hat einen großen Rucksack an Ballast zu tragen – prall gefüllt mit traumatischen Erlebnissen, Verlusten, Zurückweisung, Diskriminierung und jeder Menge Stigma. Die PoBe ist der richtige Ort gemeinsam in diesen Rucksack zu schauen, auszusortieren und uns etwas vom Ballast zu befreien. Dafür ein herzliches Dankeschön allen, die mitgeholfen haben.

Und wenn ab morgen jede_r in seinem Umfeld nur einer Person pro Woche von N = N erzählt, dann erreicht diese Botschaft doch noch rechtzeitig vor der nächsten PoBe die Masse der Menschen. Es ist wie immer: es startet mit uns. Legen wir los!

Danke an meinen Schatz Thomas für all die Bilder, die Videos und den Schnitt!

PoBe: Wir sind normaler als die Normalen hier

Von wegen Sommerloch – der August hat es in sich. Denn nach der Welt-AIDS-Konferenz in Amsterdam schließt der heißeste Monat des Jahres ab heute mit den Positiven Begegnungen (kurz: PoBe) in Stuttgart ab. Europas größte Selbsthilfekonferenz im HIV-Bereich findet in diesem Jahr zum 20. Mal statt. Gleich zu Beginn bringt es die wunderbare Schirmfrau Laura Halding-Hoppenheit auf den Punkt:

„Wir sind normaler als die Normalen hier“

Die Stimmung auf der gerade stattgefundenen Eröffnungsfeier ist großartig.

Es ist ein großes Familientreffen, mit dem Unterschied das sich hier anders als in anderen Großfamilien die meisten mögen 😉 Es ist schön, wenn sich alle zwei Jahre die Community hier wieder trifft, gemeinsam an Themen arbeitet, diskutiert und ein Zeichen für mehr Sichtbarkeit von HIV-Positiven Menschen setzt.

Schlimm genug, dass die Konferenz im Jahr 2018 immer noch nötig ist – denn noch längst ist die Lebensrealität für HIV-Positive Menschen geprägt von Stigmatisierung, Diskriminierung und Ausgrenzung: das aktzeptieren wir nicht mehr.

„Wir sind überall“ heißt der Slogan der diesjährigen PoBe. Und in der Tat: Wir sind inzwischen überall: in der Politik, in Führungspositionen, im Bett nebenan. Im KFZ-Gewerbe gleichermaßen wie im Cockpit eines Flugzeugs: alle einst gültigen Ausschlüsse in Berufen sind längst Geschichte: Mit HIV kann man alles werden.

Neben der beruflichen Sicht auf die Infektion bleibt aber immer noch die Frage: Wie gehen unsere Familien, unsere Freund_innen, unsere Partner_innen mit uns um. Wieviel Menschen hättten bedenklos Sex mit einem Menschen unter der Nachweisgrenze, der nicht mehr infektiös ist? Wie verbreitet ist das Wissen um die Nichtinfektiösität in der breiten Bevölkerung?

Leider immer noch sehr schlecht. Eine unglaubliche Prozentzahl an Befragten würde einen Menschen mit HIV nicht küssen, nicht eine gemeinsame Toilette benutzen oder vom gleichen Teller essen: Die Diskriminierungserfahrungen, die wir tagtäglich erleben, müssen ein Ende haben.

Dafür kämpfen wir gemeinsam als Community in den nächsten Tagen in Stuttgart. Ein Kampf, der nicht immer einfach ist und für den wier viel Kraft und Anstrengung benötigen um ihn physisch aber auch psychisch überstehen zu können. Ich weiß von was ich rede: Mit dem heutigen Tag endet meine Amtszeit als PositHIVes Gesicht – einem besonderen Organ der Deutschen AIDS-Hilfe.

Die Menschen, die ich in diesem Gremium kennenlernen durfte, waren großartig, emphatisch, voller Lebensenergie und Mut ihre Diagnose und Offenheit zum Wohl der Gemeinschaft einzusetzen. Dass das große Engagement von vielen Aktivist_inenn jedoch auch immer wieder an Hürden scheitert, das Grenzen von Außen gesetzt werden und Selbsthilfe nicht immer frei agieren kann, macht mich mehr und mehr fertig.

Im Rahmen der Positiven Begegnungen hier in Stuttgart wird der Film 120 bpm gezeigt – er beschreibt das atemberaubende Engagement der Act up Aktivist_innen in Frankreich zu Zeiten der größten AIDS-Krise in den 80er Jahren des letzens Jahrhunderst. Die Menschen und Akteure dieser Zeit sind mein großes Vorbild: Sie waren frei vom Gefühl angepasst agieren zu müssen, frei von auferlegten Vorgaben des Wordings, frei von Abstimmungsprozessen mit behördlich anmutendnen Strukturen.

Sie waren getrieben vom Tod der um sie herum alles vereinnahmte, was er in seine Finger bekommen konnte. Ihr Antrieb war purer Überlebenswille und die einzige Hoffnung bestand darin, die Pharmaindustrie dazu zu bringen, Medikamente die längst erforscht waren den Menschen zugänglich zu machen, die sie so dringend benötigten.

Dafür hielten sie sich an keine Vorgaben, keine Auflagen, kein Absprachen: Sie schmissen Farbbeutel mit blutroter Farbe in die Konferenzräume der Pharmaindustrie, sie stürmten Kongresse, sie kämpten für ihr Recht zu leben.

Wenn ich diesen Film als Maßstab nehme,sind unsere Aktivitäten heute lächerlich und beschämen mich. Wir haben an Antriebskraft verloren und gar nicht gemerkt wie wir Stück für Stück in ein Korsett von behördlichem Wahnsinn gedrängt wurden – aus Gründen von abhängiger Finanzierung, aus der auferlegten Bevormundung von staatlichen Behörden die sich unserem Thema annahmen und der Tatsache heraus, dass unsere Freund_innen glücklicherweise mehr und mehr dem Tod von der Schippe sprangen.

Wir haben überlebt – mit Virus und Dauermedikation. Wir sind die Gewinner_innen und dennoch nur noch ein Schatten unserer Vorreiter_innen vor denen ich heute zutiefst den Hut ziehe.

Die Selbsthilfe ist jedoch alles andere als am Ende. Sie ist lediglich in meinen Augen mitunter zu angepasst, zu bequem und zu wenig streitbar.

  • Ich wünsche mir, dass wir uns da ein Stück bewegen. Nicht aus Sentimentalität für frühere Zeiten, sondern aus purer Überzeugung dass wir auch nach wie vor der Motor der HIV- und Aids-Arbeit sind.
    • Es ist an uns zu bennenen, was schief läuft.
      Es ist an uns zu fordern, was wir brauchen.
      Es ist an uns, wir selbst zu sein.

    Ich werde es versuchen: Hier auf den Positiven Begegnungen in Stuttgart aber auch danach.

    Zu oft habe ich mich in letzter Zeit über die Funktion der Selbsthilfe geärgert, über mangelnde Unterstützung von Stellen die eigentlich für uns arbeiten sollten, statt wir für sie.

    Aber es ist eben vor allem zu allererst die Selbsterkenntnis: Wer, wenn nicht wir bestimmt was läuft. Und es ist viel Balsam für die HIV-Ativist_innenseele hier auf der PoBe so vielen Menschen zu begegnen in denen immer noch das Feuer brennt.

    Lassen wir dieses Feuer niemals zu einem unlöschbaren Brand werden, aber wenn nötig, unter die Ärsche halten, die es sich mitunter viel zu bequem in ihren staatlich bezahlten Sesseln gemacht haben.

    Selbsthifle rockt. Immer noch. Auch 2018.

    Packen wirs gemeinasam an – wir sind schließlich überall. Und wenn die Selbsthilfe eins ist dann ganz bestimmt normaler als die Normalen hier. Da hast du absolut recht, liebe Laura.

    Selbsthilfe darf alles: laut sein, unangepasst sein, fordernd sein – denn schleßlich gehts um uns. Vielleicht wird es also Zeit, dass wir wieder mal anfangen, mit blutroten Farbbeutel um uns werfen, statt Angst zu haben einen HIV-Community-Aufkleber an die Toilettenwand des Maritim-Hotel zu kleben.

    Euer Flo

    Ich freue mich, wenn ihr meinem Blog folgt (unten rechts FOLGEN klicken) oder diesen Beitrag kommentiert bzw. teilt. Herzlichen Dank für eure Unterstützung. ❤️

    Sonntagsfrage: Wie alt ist Patrik Maas?

    Im Rahmen der Welt-AIDS-Konferenz traf ich den Landesgeschäftsführer der AIDS-Hilfe NRW: Patrik Maas.

    Im Interview sagt er: „U equals U – ein Thema, wo ich sage da waren wir nicht gut genug in den letzten Jahren. Da können wir mehr machen.“

    Dies und viele Themen mehr inklusive der geheimen Formel zur Berechnung von Patriks Alter findet ihr hier im Video:

    🔞Sicherheitshinweis: Unüberlegte Altersschätzungen in den Kommentaren könnten Ihre Beziehung zu Patrik Mass nachhaltig beeinflussen.

    Auf Wiedersehen, Amsterdam.

    ❤️lichen Dank euch allen für die großartige Unterstützung zur Welt-AIDS-Konferenz.

    Auch in den nächsten Tagen blogge ich hier noch Videointerviews mit spannenden Menschen, engagierten Aktivist_innen und Freund_innen im gemeinsamen Kampf für die Rechte von Menschen mit HIV & AIDS.

    Es bleibt spannend. Es bleibt viel zu tun. Es bleibt eine Herausforderung.

    Bye, bye aus Amsterdam – euer Flo. 💋

    Historischer Moment: Sexarbeiter_innen stürmen Rede von Bill Clinton

    Historischer Moment auf der Welt-AIDS-Konferenz:

    Sexarbeiter_innen aus aller Welt stürmen den Saal bei der Rede des ehemaligen US-President Bill Clinton.

    Die Forderungen:

    💪🏾 Entkriminalisierung der Sex-Arbeit weltweit

    💪🏾 Anerkennung: Sexwork is work

    💪🏾 Keine Welt-AIDS- Konferenz 2020 in San Francisco solange noch Donald Trump das Land regiert

    Seht hier den historischen Moment und teilt danach den Beitrag – Danke für die viele Unterstützung die Botschaften dieser Welt-AIDS-Konferenz in die reale und virtuelle Welt zu tragen